Rechtsprechung aktuell

RA Simon Heinzel, Fachanwalt für Familienrecht

 

 

  1. Abstammung

 

BVerfG, Urteil vom 19.04.2016 – Az. 1 BvR 3309/13 – § 1598 a BGB

Pressemitteilung BVerfG Nr. 18/2016

 

Kein Anspruch auf isolierte Klärung der Abstammung außerhalb der rechtlichen Familie. Gegenüber dem mutmaßlichen leiblichen – nicht rechtlichen – Vater gebietet das Grundgesetz keinen Abstammungsklärungsanspruch gemäß § 1598 a BGB.

 

Die Antragstellerin hat bereits kurz nach ihrer Geburt ihren mutmaßlichen Vater und jetzigen Antragsgegner nach damaligem Recht auf „Feststellung blutsmäßiger Abstammung“ in Anspruch genommen. Die damalige Klage wurde rechtskräftig abgewiesen. Jetzt verlangt die Antragstellerin die Durchführung eines DNA-Tests, um die Vaterschaft zu klären. Nachdem der mutmaßliche Vater dies abgelehnt hat, versucht die Antragstellerin unter Berufung auf § 1598 a BGB, die Einwilligung des mutmaßlichen Vaters gerichtlich zu erzwingen.

 

Sämtliche Instanzgerichte haben darauf verwiesen, dass § 1598 a BGB Abstammungsklärungsansprüche sowohl Vater, Mutter als auch dem Kind innerhalb einer rechtlichen Familie gewähren, nicht aber einem mutmaßlichen leiblichen Vater. Mit der Verfassungsbeschwerde rügt die Antragstellerin die Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechtes aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Die Verfassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen, es liegt keine Verletzung von Grundrechten vor. Es verstößt insbesondere nicht gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Kindes, dass es seine Abstammung gegen den Willen des mutmaßlichen Vaters grundsätzlich nur im Wege der Feststellung der rechtlichen Vaterschaft gemäß § 1600 d BGB klären kann. So sind auch die Rechte des mutmaßlichen Vaters auf Privat- und Intimsphäre zu beachten. Ebenso sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Recht auf Schutz seines Familienlebens. Berechtigterweise verweist das BVerfG auf die erhebliche Gefahr von Abstammungsuntersuchungen „ins Blaue“ hinein. Hier könnte sich eine erhebliche „Streubreite“ entfalten, es könnten wahllos irgendwelche mutmaßlichen Väter in Abstammungsuntersuchungen hineingezogen werden. § 1598 a BGB hat bewusst diese Möglichkeit nur innerhalb der rechtlichen Familie normiert. Dies hat der Gesetzgeber bewusst so gestaltet. Das ist verfassungsrechtlich unbedenklich, zumal dem Kind ja die Möglichkeit auf Feststellung der Vaterschaft eröffnet ist (§ 1600 d BGB) und somit das Kind nicht rechtlos gestellt ist. Auch das Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft hat gesetzliche Grenzen (z. B. 2-Jahres-Frist nach Kenntnis von Umständen, die eine Vaterschaft wahrscheinlich erscheinen lassen), dies ganz bewusst, da der Gesetzgeber hier mehr auf Rechtssicherheit setzt als auf tatsächliche Zuordnung der leiblichen Vaterschaft. Dass im Ausgangsfall bereits in den 50-er Jahren eine Vaterschaftsfeststellung bereits rechtskräftig abgelehnt wurde, führt zu keiner anderen Beurteilung, sondern vielmehr zur Bestätigung des status quo.

 

Abschließend verweist das BVerfG auch darauf, dass auch die Europäische Menschenrechtskonvention und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu keinem anderen Ergebnis führen. Diese Entscheidung ist auch nachvollziehbar – nicht nur im Lichte des Grundrechts – da anderenfalls eine Abstammungsklärungs-Untersuchungsinflation entstehen würde, mutmaßlich Väter der Vaterschaft bezichtigt und in DNA-Untersuchungsverfahren gezwungen würden. Dem „Vaterschaftstourismus“ wäre Tür und Tor geöffnet.

 

 

 

  1. Elternunterhalt

 

BGH, Beschluss vom 09.03.2016 – Az. XII ZB 693/14 – §§ 1603, 1609, 1615 l BGB

http://www.bundesgerichtshof.de

 

  1. Bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit für die Zahlung von Elternunterhalt ist ein von dem Unterhaltspflichtigen zusätzlich geschuldeter Betreuungsunterhalt nach § 1615 l BGB (gegenüber der nichtehelichen Lebensgefährtin mit der er ein Kind hat) eine vorrangige sonstige Verpflichtung i. S. d. 1603 BGB und somit von dessen Einkommen abzuziehen. Auf einen Familienselbstbehalt – wie bei Ehegatten – kann sich der Unterhaltspflichtige, der in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt, nicht berufen.
  2. Ein elternbezogener Grund zur Verlängerung des Betreuungsunterhaltes gegenüber der nichtehelichen Lebensgefährtin kann auch darin liegen, dass ein Elternteil – nichteheliche Lebensgefährtin – das gemeinsame Kind im weiterhin fortdauernden Einvernehmen mit dem anderen Elternteil persönlich betreut und deshalb voll oder teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Dem unterhaltspflichtigen Kind (gegenüber seinem Elternteil) ist eine Mitwirkung an einer solchen Gestaltung der nichtehelichen Gemeinschaft nach den Grundätzen von Treu und Glauben nur dann verwehrt, wenn sie rechtsmissbräuchlich erscheint (BGH, FamRZ 2007, Seite 1081).

 

Der im Jahr 1941 geborene Vater des evtl. unterhaltspflichtigen Kindes wird von einem Pflegedienst betreut. Die Kosten trägt zunächst der Sozialhilfeträger und verlangt von dem Sohn Elternunterhalt. Dieser lebt in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, aus der eine im Dezember 2008 geborene Tochter hervorgegangen ist. Die Lebensgefährtin ist geschieden, hat zwei Kinder aus erster Ehe, die ebenfalls im gemeinsamen Haushalt leben. Die Lebensgefährtin betreut im Einvernehmen mit ihrem Lebensgefährten alle drei Kinder – einschließlich des jüngsten gemeinsamen Kindes.

 

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner zur Unterhaltszahlung gegenüber seinem Vater verpflichtet. Dabei könne sich der Antragsgegner nicht – wie ein verheirateter Unterhaltsschuldner – auf einen sogenannten erhöhten Familienselbstbehalt entsprechend der gefestigten Rechtsprechung des BGH bei Eheleuten berufen, weil er seiner Lebensgefährtin gegenüber nicht zum Familienunterhalt verpflichtet sei (Einzelheiten der Unterhaltshöhe und der Berechnung sind an dieser Stelle nicht von Bedeutung, jedenfalls nicht für die grundsätzlichen Erwägungen des BGH). Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung des Amtsgerichtes im Wesentlichen bestätigt und die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.

 

Der BGH hat die angefochtene Entscheidung aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Der BGH bestätigt zwar, dass bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine Berufung auf einen erhöhten Familienselbstbehalt nicht möglich ist, schreibt jedoch dem OLG ins Stammbuch, dass bei der Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt – auch über das dritte Lebensjahr eines nichtehelichen gemeinsamen Kindes hinaus – ein Betreuungsunterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB bestehen kann, was von den Vorinstanzen jedoch gänzlich übersehen wurde. Ein solcher Betreuungsunterhaltsanspruch der nichtehelichen Lebensgefährtin gegenüber ihrem Lebensgefährten würde bei der Berechnung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens zu berücksichtigen sein, sich wohl leistungsmindernd auswirken und somit möglicherweise sogar zur Leistungsunfähigkeit führen. Da das OLG diesen Gesichtspunkt überhaupt nicht bedacht hatte, war die Angelegenheit zurückzuverweisen.

 

Im Gegensatz zum OLG ist ein etwaiger Betreuungsunterhaltsanspruch der kinderbetreuenden Mutter des nichtehelichen Kindes zu beachten und mindert die Leistungsfähigkeit des zum Elternunterhalt verpflichteten. Der BGH führt aus, dass grundsätzlich ein Betreuungsunterhaltsanspruch der Mutter eines nichtehelichen Kindes mit dem dritten Lebensjahr des Kindes endet, es sei denn kindsbezogene oder elternbezogenen Gründe liegen vor. Zwar sind keine kindsbezogenen Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhaltsanspruches ersichtlich bzw. dargelegt, aber die Tatsache, dass die zusammenlebenden Eltern entschieden haben, dass die Mutter des nichtehelichen Kindes die Betreuung übernimmt, stellt einen elternbezogenen Grund dar einen monetären Unterhaltsanspruch anzunehmen. Allein die Betreuung eines gemeinsamen Kindes – unabhängig von der Betreuung der Kinder aus erster Ehe – ist anzuerkennen, mit der Folge, dass eine Erwerbsobliegenheit der Kindsmutter nicht besteht. Auch liegt hierin kein Missbrauch gegenüber dem Sozialhilfeträger, da in den Vorinstanzen nicht ausreichend der Betreuungsumfang des gemeinsamen Kindes ermittelt wurde. Um den etwaigen Betreuungsunterhaltsanspruch – als Abzugsposten beim Elternunterhaltsanspruch – ermitteln zu können, bedarf es noch weiterer Erhebungen, die nicht vom BGH vorzunehmen sind.

 

Das OLG wird nunmehr auf Hinweis des BGH den Betreuungsunterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB ermitteln müssen. Dazu hat der Antragsgegner zum Einkommen, zu etwaigen Kapitaleinkünften und zum Bedarf seiner Lebensgefährtin substantiiert vorzutragen, wobei der vom Antragsgegner seiner Lebensgefährtin gewährte Naturalunterhalt zu monetarisieren – in Geld auszudrücken – ist. Der Betreuungsanteil für die beiden ehelichen Kinder ist nicht zu berücksichtigen. Zusätzliche Altersvorsorge in Höhe von 5 % des Bruttoeinkommens ist nur zu berücksichtigen, wenn auch tatsächlich eine solche Altersvorsorge betrieben wird. Abschließend weist der BGH noch darauf hin, dass der Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG auch für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft mit Kindern eröffnet ist. Art. 6 GG ist jedoch nicht dadurch verletzt, dass ein Familienselbstbehalt nicht zu gewähren ist, der Schutzbereich wird gewahrt durch die Berücksichtigung eines etwaigen Betreuungsunterhaltes. Wegen des verfassungsrechtlichen Schutz- und Förderungsauftrages ist der Gesetzgeber grundsätzlich berechtigt die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu begünstigen. Die Ehe darf insoweit besser gestellt werden als eine nichteheliche Lebensgemeinschaft (BVerfG, FamRZ 2013, Seite 1103). Zwar dürfen nichteheliche Kinder grundsätzlich nicht schlechter gestellt sein als eheliche Kinder, in der rechtlichen Ausprägung der Eltern untereinander kann und darf es jedoch auch unterschiedliche Ausprägungen geben.

 

An dieser Stelle auch der Hinweis: Der Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB und der des § 1570 BGB bei ehelicher Betreuung sind gerade nicht identisch, es gibt weiterhin Unterschiede, die nach der Auffassung des BGH auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind.

 

 

 

III. Mutterunterhalt

 

BGH, Urteil vom 16.03.2016 – Az. XII ZR 148/14 – §§ 249, 251, 1360, 1615 l BGB

http://www.bundesgerichtshof.de

 

Schließt die Unterhaltsberechtigte eines Anspruchs auf Betreuungsunterhalt aus § 1615 l BGB (Mutterunterhalt eines nichtehelichen Kindes) aufgrund einer fehlerhaften Beratung durch ihren Rechtsanwalt über den Fortbestand dieses Anspruchs bei Eheschließung mit einem neuen Partner eine neue Ehe, ist der Wegfall des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt durch die neue Eheschließung grundsätzlich ein Schaden. Dieser Schaden kann jedoch – wie im zu entscheidenden Fall – durch den Anspruch auf Familienunterhalt kompensiert werden, mit der Folge, dass kein Schaden entstanden ist.

 

Die Unterhaltsberechtigte ist Mutter einer nichtehelich geborenen Tochter. Sie hat einen Rechtsanwalt beauftragt mit der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den leiblichen Vater. Sie hat dem Rechtsanwalt (RA) mitgeteilt, dass sie in einer neuen Partnerschaft lebe und auch eine Heirat plane. Sie wolle jedoch nicht auf ihren Mutterunterhalt (§ 1616 l BGB) bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres verzichten. Angestrebt sei eine Abfindung, wenn es sein müsse, würde sie jedoch die 3 Jahre mit ihrem jetzigen Partner in „wilder Ehe“ leben, um den Unterhaltsanspruch voll auszuschöpfen. Der RA gab den fehlerhaften Rat, dass der Mutterunterhaltsanspruch unabhängig von einer Verheiratung bis zum 3. Lebensjahres des Kindes fortbestehe, die Eheschließung würde nichts am Unterhaltsanspruch gegenüber dem Kindsvater ändern. Die Unterhaltsberechtigte heiratete, der Mutterunterhaltsanspruch konnte gegenüber dem Kindsvater nicht realisiert werden, da – wie eigentlich bekannt sein sollte – dieser Mutterunterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB durch Heirat mit einem Dritten endet. Die Mutter hat dann vom Rechtsanwalt Schadensersatz verlangt für den ihr entgangenen Mutterunterhalt bis zum 3. Lebensjahr des Kindes (ca. 30.000 €). Das zur Entscheidung berufene Landgericht hat der Klage auf Schadensersatz im Wesentlichen stattgegeben, das OLG hat die Klage aufgrund der Berufung des Rechtsanwaltes abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision der Mutter.

 

Die Revision hatte keinen Erfolg, der Kindsmutter wurde kein Schadensersatz zugesprochen. Der BGH hat zwar klar zum Ausdruck gebracht, dass die rechtsfehlerhafte Beratung des Rechtsanwaltes grundsätzlich zum Schadensersatz führt, die Kindsmutter muss sich jedoch den sogenannten schadensersatzrechtlichen Vorteilsausgleich entgegenhalten lassen. Dieser liegt im vorliegenden Fall im Anspruch auf Familienunterhalt gegenüber dem jetzigen Ehegatten. Der BGH hat zunächst festgehalten, dass der Unterhaltsanspruch nach § 1615 l BGB analog § 1686 BGB mit der Verheiratung erlischt, eine geschiedene Mutter muss mit der Mutter eines nichtehelichen Kindes im Fall der Heirat gleich behandelt werden (so schon BGH, FamRZ 2005, Seite 347). Die Mutter hatte auch gegenüber ihrem Rechtsanwalt klar zum Ausdruck gebracht, dass sie ggf. auch die 3 Jahre ohne Verheiratung leben kann, daher liegt dem Grunde nach ein Schaden vor in Höhe des nicht realisierbaren Mutterunterhaltes.

 

Abgewiesen wurde der Schadensersatz, weil die Unterhaltsberechtigte zunächst nicht ausreichend dargelegt hat, ob der Vater ihres nichtehelichen Kindes in Höhe des Schadensersatzanspruches leistungsfähig und damit unterhaltsverpflichtet gewesen wäre. Darüber hinaus – und dass das Hauptargument für die Abweisung – greift der sogenannten Vorteilsausgleich. Durch die Heirat hat die Kindsmutter einen Anspruch auf Familienunterhalt erhalten (§ 1360 BGB), der an die Stelle des Mutterunterhaltsanspruches (§ 1615 l BGB) getreten ist. Dass dieser Familienunterhaltsanspruch hauptsächlich nicht in Geld zu leisten ist, spielt keine Rolle. Da der jetzige Ehemann gut verdienend ist (monatliches Bruttoeinkommen ca. 7000 €), ist in jedem Fall dieser Vorteilsausgleich vorzunehmen (so schon BGH, NJW 1970, Seite 1172 zur Wiederverheiratung bei Anspruch aus § 845 BGB). Der BGH lässt es offen, ob eine andere Betrachtung geboten wäre, wenn der Familienunterhalt gegenüber dem jetzigen Ehegatten kein adäquater Ersatz des weggefallenen Anspruchs wegen Mutterunterhalt wäre, z. B. bei mangelnder Leistungsfähigkeit des jetzigen Ehegatten. Dies konnte offen bleiben, denn der jetzige Ehemann war unstreitig hinreichend leistungsfähig.

 

Es wird noch darauf hingewiesen, dass bei der Geltendmachung bzw. Berechnung des Mutterunterhaltsanspruches (hier: des Schadensersatzanspruches) es unablässlich ist, zum Einkommen des unterhaltspflichtigen Vaters vorzutragen. Zwar bestimmt sich der Mutterunterhalt grundsätzlich nach dem Verlust des eigenen Einkommens durch die Geburt des Kindes, dieser Anspruch ist jedoch auch beschränkt durch den Halbteilungsgrundsatz, der sich nach dem Einkommen des Vaters richtet. Wer es unterlässt, dieses vorzutragen, begibt sich in Gefahr, dass der Anspruch wegen unschlüssigem Sachvortrag abgewiesen wird.

 

 

 

 

  1. Güterrecht

 

BGH, Beschluss vom 16.12.2015 – Az. XII ZB 516/14 – §§ 195, 199 Abs. 1, 313 Abs. 1, 516 BGB

(NZFam 2016, Seite 165, FamRZ 2016, Seite 457 ff.)

 

  1. Der Rückforderungsanspruch, der Schwiegereltern im Fall einer Schwiegerelternschenkung nach Scheitern der Ehe gegenüber dem Schwiegerkind wegen Störung der Geschäftsgrundlage zustehen kann, unterliegt der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, es sei denn, der Anspruch ist auf Vertragsanpassung nach einer Grundstücksschenkung gerichtet, für den die Verjährungsfrist nach § 196 BGB gilt (im Anschluss an BGH, FamRZ 2015, 393).
  2. Da das Scheitern der Ehe regelmäßig spätestens mit der Zustellung des Scheidungsantrags zum Ausdruck kommt, liegt die für den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist erforderliche Kenntnis der Schwiegereltern vom Scheitern der Ehe ihres Kindes jedenfalls dann vor, wenn sie von der Zustellung des Scheidungsantrags Kenntnis erlangt haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten er-langen müssen.
  3. Der Beginn der Verjährungsfrist für Rückforderungsansprüche der Schwiegereltern war nicht bis zur Veröffentlichung der Senatsentscheidung vom 3. Februar 2010 (BGHZ 184, 190 = FamRZ 2010, 958) hinausgeschoben.

 

Durch Entscheidung des BGH vom 03.02.2010 (FamRZ 2010, Seite 958) wurde die Möglichkeit der Rückforderung von schwiegerelterlichen Zuwendungen in erheblichem Maße erweitert. Soweit vor dieser Entscheidung letztendlich Rückforderungsansprüche nur dann im Raum standen, wenn das eigene Kind über den Zugewinnausgleich nicht angemessen an der Zuwendung der eigenen Eltern teilhaben konnte, so ist der Rückforderungsanspruch schwiegerelterlicher Zuwendungen nach der neueren Rechtsprechung des BGH grundsätzlich nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bzw. ungerechtfertigter Bereicherung möglich und geboten.

 

Im vorliegenden Fall haben sich die Eheleute Anfang 2006 getrennt. Ende des Jahres 2006 wurde Antrag auf Ehescheidung gestellt, die Ehe wurde am 26.11.2012 geschieden. Die Schwiegereltern des Ehegatten begehren Rückzahlung von Geld, welches sie während der Ehe zur Errichtung des Eigenheims ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes bezahlt haben (ca. 60.000 €). Im April 2012 wird der Antrag auf Rückzahlung eines Teilbetrages bei Gericht eingereicht, der Schwiegersohn hat den Verjährungseinwand erhoben. Das Amtsgericht geht ebenso wie der Antragsgegner von Verjährung aus, selbiges gilt für das OLG.

 

Der BGH bestätigt, dass für den Anspruch auf Rückgewähr ehebezogener Zuwendungen durch Schwiegereltern die 3-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB gilt, nachdem es sich um einen vertraglichen Anspruch nach Wegfall der Geschäftsgrundlage (Ehe) handelt. Eine schwiegerelterliche Zuwendung ist zunächst eine Schenkung, wenn sie um der Ehe des eigenen Kindes willen erfolgt. Auch hierauf sind die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage anzuwenden. Deshalb steht ein Anspruch auf Rückgewähr zu, wenn die Vorstellung, die der Schenkung zugrunde liegt, die eheliche Lebensgemeinschaft des eigenen Kindes würde Bestand haben, enttäuscht wird (Trennung/Scheidung). Nur bei dem Rückgewähranspruch hinsichtlich einer Grundstücksschenkung bestimmt sich die Verjährung nach § 196 BGB (30 Jahre – BGH, FamRZ 2015, Seite 393). Auch ist der Rückforderungsanspruch der Schweigereltern kein familienrechtlicher Anspruch i. S. d. § 197 BGB in der bis zum 31.12.2009 geltenden Fassung, denn Schwiegereltern stehen außerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft. Damit gilt grundsätzlich die 3-jährige Verjährungsfrist.

 

Höchst umstritten war – und wird vielleicht auf bleiben – wann der Verjährungsbeginn für den Rückgewähranspruch ist. Bei entsprechenden Ansprüchen der Ehegatten untereinander auf Rückgewähr ehebezogener Zusendungen hatte der BGH bereits entschieden, dass Verjährungsbeginn regelmäßig die endgültige Trennung der Ehegatten ist (BGH, FamRZ 2007, Seite 877). Somit könnte man meinen, dass dies auch bei Rückforderungen der Schwiegereltern gilt. In der Entscheidung des BGH, FamRZ 2012 Seite 273, hatte der BGH jedoch keine rechtlichen Bedenken gegen die dortige Ausführung des OLG erhoben, wonach die 3-jährige Verjährungsfrist beginnt – mit dem Schluss des Jahres – in welchem die Ehescheidung rechtskräftig geworden ist. Mit seiner jetzigen Entscheidung stellt der BGH klar, dass der Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung für den Verjährungsbeginn nicht maßgeblich ist, drückt sich jedoch eher schwammig aus wenn er abstellt auf den Zeitpunkt der Kenntnis der Eltern von der Trennung bzw. von der Zustellung des Scheidungsantrages und weitergehend diesen Zeitpunkt auch annimmt wenn die Schwiegereltern hiervon hätten Kenntnis haben müssen. Wann soll das sein? Der BGH hat es versäumt sich in seiner Entscheidung klar auszudrücken. Wever geht davon aus, dass der BGH den Zeitpunkt der endgültigen Trennung meint (Wever, FamRZ 2016, Seite 463), andere kritisieren die Entscheidung wegen dieser Ungenauigkeit und bezeichnen sie als zweifelhaft (Singbartel, NZFam 2016, Seite 171). Hier wird nach Auffassung des Verfassers berechtigterweise kritisiert, dass Zumutbarkeitsgesichtspunkte (wann hätten Schwiegereltern von der Trennung/Scheidungsantrag Kenntnis haben müssen?) einfließen in die konkrete Frage wann eine Verjährung beginnt. Verjährung dient gerade dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit. Wenn schon die Anknüpfungspunkte zweifelhaft sind, ist das mit Sicherheit nicht dienlich.

 

TIPP:

Es ist immer der sicherste Weg zu wählen, d. h. man sollte als Verjährungsbeginn den Trennungszeitpunkt heranziehen – der natürlich selbst manchmal schwer zu ermitteln ist – und von dort aus die 3 Jahre errechnen. Wenn aufgrund besonderer Umstände die Schwiegereltern z. B. wegen Auslandsaufenthalt definitiv erst später von dem Scheitern der Ehe erfahren haben, muss das dann besonders erklärt und ggf. unter Beweis gestellt werden.

 

Es ist auch ratsam, schwiegerelterliche Rückforderungsansprüche ggf. vor der Rechtskraft der Scheidung und einer Entscheidung über den Zugewinn geklärt zu haben. Zwar ist in den weitaus meisten Fällen die Rückgewährverpflichtung zugewinnausgleichsneutral, aber eben nicht in allen Fällen (z. B. negatives Anfangsvermögen). Aus demselben Grund ist bei endgültiger güterrechtlicher Auseinandersetzung von Ehegatten anzuraten, evtl. bestehende Rückgewähransprüche von Schwiegereltern zu beachten und ggf. sich gegenseitig von schwiegerelterlichen Rückgewähransprüchen freizustellen.

 

Die Entscheidung enthält auch lange Ausführungen zur Frage, ob der Verjährungsbeginn ins sog. Altfällen hinausgeschoben ist, weil erst seit der Entscheidung des BGH vom 3.2.2010 (FamRZ 2010, Seite 958) die Rückgewähr von schwiegerelterlichen Zuwendungen in den Fokus gerückt sind. Hierzu gab es unterschiedlichste Meinungen. Der BGH hat sich für ein klares „nein“ entschieden mit Hinweis darauf, dass die Rechtslage vor dem 3.2.2010 weder unsicher noch zweifelhaft war. Auch diese Entscheidung könnte man hinterfragen und kritisieren, da jedoch für die Zukunft diese Frage kaum mehr von Bedeutung sein wird – wegen Zeitablauf – unterlässt es der Verfasser, auf die dogmatisch interessanten Erwägungen des BGH einzugehen. Mit der Entscheidung des BGH muss man leben.

 

In jeder güterrechtlichen Auseinandersetzung sollte man immer im Hinterkopf behalten, dass es eventuelle Rückforderungsansprüche von Schwiegereltern geben kann, die man in die Gesamtüberlegungen der Vermögensauseinandersetzung mit dem eigenen Ehegatten miteinbeziehen sollte.

 

 

 

  1. Wechselmodell

 

OLG Hamburg, Beschluss vom 17.12.2015 – Az. 2 UF 106/14 – §§ 1626 Abs. 3, 1684 Abs. 3 BGB

NZFam 2016, Seite 285

 

Eine hälftige Aufteilung der Betreuungszeiten für das Kind im Sinne eines Wechselmodells ist im Rahmen eines Umgangsverfahrens möglich, sofern dies im Einzelfall die dem Kindeswohl am besten entsprechende Gestaltung der Betreuungszeiten darstellt.

 

Den Eltern steht grundsätzlich das gemeinsame Sorgerecht zu. Im Entscheidungsfall stand das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil des Sorgerechts der Mutter alleine zu, die Kinder hatten ihren Lebensmittelpunkt bei ihr, 14-tägig fand an verlängerten Wochenenden Umgang statt. Das Familiengericht hat dem Vater mit den Kindern in den ungeraden Kalenderwochen Umgang von Donnerstab bis Montag zugesprochen, damit die Kinder nicht durch zu viele Wechsel belastet werden. Der Vater als Beschwerdeführer verfolgt die Anordnung eines Wechselmodells, dem ist das OLG im Wesentlichen gefolgt.

 

Das OLG hat bereits einleitend darauf hingewiesen, dass es sich bei der Entscheidung um keine rechtstheoretische Entscheidung handelt über das Für und Wider eines Wechselmodelles und über die Frage, ob dies in einem sorgerechtlichen oder umgangsrechtlichen Verfahren zu klären ist und ob gegen den Willen eines Elternteiles ein solches Wechselmodell angeordnet werden kann. Vielmehr handelt es sich bei der angeordneten Regelung bewusst und ausschließlich um eine am konkreten Einzelfall und dem Wohl der Kinder orientierte Regelung des Umgangsrechtes. Aufgrund des Alters der Kinder (12 und 8 Jahre), Belastbarkeit, konkrete Lebensumstände wie der geringen Entfernung der Wohnungen sowie dem Willen der Kinder war diese Entscheidung geboten. Zudem gab es schon in der Vergangenheit weitgehend paritätische Betreuung. Gerade der ältere Sohn hat sich immer wieder in den Anhörungen für gleichmäßige Aufteilung ausgesprochen. Zwar hat die Kindsmutter sich gegen das Wechselmodell gewandt, auch der eingesetzte Verfahrensbeistand hat sich gegen das Rechtsmittel des Kindsvaters ausgesprochen, dies mit dem Argument, ein Wechselmodell könne vom Gericht nicht gegen den Willen eines Elternteiles ausgesprochen werden. Nach Einholung eines Gutachtens und Anhörung der Kinder geht das OLG ungeachtet dessen davon aus, dass die Aufteilung der Betreuungszeiten 50 : 50 dem Wohl der Kinder am besten entspricht. Bei der jüngeren Tochter hat das Gericht differenziert und kein ganz striktes Wechselmodell angeordnet.

 

Es ist schon interessant, dass das OLG Hamburg seine Entscheidung bewusst als Einzelfall „verkauft“. Ist das nicht immer so? (so auch Luthin, NZFam 2016, Seite 285). Es geht letztendlich beim Wechselmodell derzeit immer um die Frage, ob die Anordnung eines solchen überhaupt mit dem geltenden Recht vereinbar ist oder ob es dazu einer Gesetzesänderung bedarf (Presseerklärung ISUV Nr. 12/2016 vom 19.4.2016: Der Landesparteitag der FDP hat sich dafür entschieden, dass aufgrund des grundsätzlichen Rechtes der Kinder auf Betreuung beider Elternteile eine gesetzliche Verankerung des Wechselmodells als Regelfall – entgegen des bisherigen Residenzmodells – notwendig ist.). Weiterhin streiten sich die Gelehrten, ob eine Anordnung des Wechselmodells dem Sorgerecht oder dem Umgangsrecht zuzuordnen ist und ob ein Wechselmodell gegen den Widerstand eines Elternteile angeordnet werden kann.

 

Die Entscheidung des OLG Hamburg wird daher bewusst als „Einzelfall“ hingestellt und hauptsächlich diejenige Rechtsprechung und Literatur zitiert, die für ein Wechselmodell sprechen, man darf jedoch nicht vergessen, dass die herrschende Rechtsauffassung diejenige ist, dass gegen den Willen eines Elternteiles wohl kein Wechselmodell angeordnet werden kann (z. B. OLG Karlsruhe, FamRB 2015, Seite 414) und es auch keine Verpflichtung des Gesetzgebers gibt, das Wechselmodell als Regelfall einzuführen (BVerfG NJW 2015, Seite 3366). Zudem ist der Kindeswille nur soweit beachtlich wie er dem Kindeswohl entspricht (BVerfG, FamRZ 2009, Seite 1389). Der Beschluss des OLG Hamburg entspricht jedoch dem Ansinnen des Verbandes ISUV, der sich weiterhin für die umfangreiche Anwendung des Wechselmodells ausspricht. Der Beschluss des OLG Hamburg führt in die richtige Richtung. Kindern sollte die Möglichkeit eröffnet sein, auch nach der Trennung paritätisch von beiden Elternteilen betreut zu werden. Es hat auch lange gedauert, bis man zum gesetzlichen Regelfall des gemeinsamen Sorgerechts gekommen ist (gegen alle Bedenken). Es bleibt zu hoffen, dass dies auch beim Betreuungsmodell des Wechselmodells und der paritätischen Teilhabe an der Betreuung der Kinder in Zukunft so sein wird.

 

 

 

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.05.2015 – Az. II-7 UF 10/15 – §§ 1629, 1606 BGB

NZFam 2016, Seite 268

 

  1. Bei einer Mitbetreuung des Kindes durch den anderen Elternteil im Umfang von 5,5 von 14 Tagen liegt kein Wechselmodell vor. Im Rahmen des Residenzmodells liegt die Obhut und somit die Vertretungsbefugnis zur Geltendmachung von Kindesunterhalt bei dem Elternteil, der den größeren Betreuungsanteil hat.
  2. In einem solchen Fall ist eine Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensstufen der Düsseldorfer Tabelle gerechtfertigt, ebenso kann eine Reduzierung des Unterhalts um ersparte Aufwendungen des (mehr-)
    betreuenden Elternteiles erfolgen.

 

Diese Entscheidung betrifft zwar nicht konkret die Frage der gerichtlichen Bestimmung eines Wechselmodells, aber die Frage der Einordnung/Handhabe von Betreuungsmodellen, die einem Wechselmodell nahekommen. Das ein erweiterter Umgang an der Vertretungsbefugnis des (mehr-)betreuende Elternteils nichts ändert, ist nichts Neues. Im vorliegenden Fall hatte der Vater das Kind jede Woche von Donnerstag 17.30 Uhr bis Samstag 14.00 Uhr und darüber hinaus alle 14 Tage nicht nur bis Samstag 14.00 Uhr sondern bis zum Montag 8.00 Uhr. Das entspricht in etwa einem Betreuungsanteil von 40 % : 60 %. Eine solche Aufteilung ist eben gerade kein Wechselmodell, es verbleibt bei der Vertretungsbefugnis der Mutter. Auf der anderen Seite hat das Oberlandesgericht zwar keine Abweichung von der gesetzlichen Verteilung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt gesehen, aber die Mehrbelastung des Vaters aufgrund des doch erheblich erweiterten Umgangs dadurch berücksichtigt, dass es den Kindesunterhalt um eine Einkommensgruppe herabgestuft hat und zudem eine Minderung des Tabellensatzes vorgenommen hat (im Einzelfall 30 €). Dies hat das OLG damit begründet, dass im Tabellenunterhalt die Annahme eines üblichen 2-wöchentlichen Wochenendumgangs beinhaltet sei, sodass der Verpflegungsanteil nur entsprechend anteilig zu kürzen ist, und somit nur um 30 €. (so schon BGH, FamRZ 2014, Seite 917).

 

Man kann sich trefflich streiten, auf welche Art und Weise man einen erhöhten Umgang berücksichtigt und bewertet, positiv zunächst, dass vom Gericht überhaupt ein Abzugsbetrag und eine Herabstufung vorgenommen wurde. In solchen Fällen wird auch in Zukunft erhebliches Streitpotential liegen (konkrete Bestimmung der ersparten Aufwendungen im Einzelfall), zumal die Tendenz zur Erweiterung von Umgangsregelungen über das klassische Wochenendmodell hinaus bis hin zum Wechselmodell weiterhin zunimmt.

 

 

 

  1. Verwirkung

 

AG Lemgo, Beschluss vom 08.06.2015 – Az. 8 F 43/15 – § 1579 BGB

NZFam 2016, Seite 269

 

  1. Die Veröffentlichung von Fotos eines Ehegatten mit seinem neuen Lebenspartner in sozialen Netzwerken (Facebook/Twitter/Instagram usw.) führt nicht zur Verwirkung des Trennungsunterhaltes gemäß § 1579 Nr. 7 BGB.
  2. Eine verfestigte Lebensgemeinschaft i.S.d. § 1579 Nr. 2 BGB liegt bei einer 14-monatigen Beziehung noch nicht vor, wenn erst seit ca. 4 Monaten ein gemeinsamer Haushalt geführt wird.

 

Verfestigte oder gerade nicht verfestigte nichteheliche Lebensgemeinschaften führen häufig zum Streit über die Frage, ob ein Unterhaltsanspruch verwirkt ist. Allein die Zuwendung zu einem neuen Partner – ob vor oder nach der Trennung – reicht nicht aus. Das AG führt weiterhin aus, dass die Veröffentlichung von „gemeinschaftlichen“ vertraulichen Fotos mit dem neuen Partner zwar unnötig sein mag und ggf. auch geschmacklos, eine schwerwiegende Verunglimpfung des verlassenen Ehepartners liegt hierin jedoch nicht. Auch kann man eine verfestigte Lebensgemeinschaft regelmäßig erst nach 2 – 3 Jahren annehmen. Zwar könne dieser Zeitraum unter bestimmten Umständen auch kürzer sein (längeres Zusammenleben, Investitionen in die Zukunft wir gemeinsamer Hauskauf, offizielle Verlobung). Allein die Veröffentlichung von Bildern von gemeinsamen Aktivitäten in den sozialen Netzwerken reicht hierzu nicht aus.

 

Trotzdem sei folgender Hinweis erlaubt: Gerade durch Bildveröffentlichungen in sozialen Netzwerken bestätigt man, dass es sich um eine verfestigte Lebensgemeinschaft handelt, was sich nach der Rechtsprechung gerade in gemeinsamer Freizeitgestaltung, gemeinsamen Urlauben oder Familienfesten mit Familienangehörigen manifestiert (OLG Karlsruhe, NJW 2009, Seite 351, Palandt/Brudermüller BGB, 75. Auflage, § 1579, Rdn. 12). Wer sich in sozialen Netzwerken gemeinschaftlich zeigt, kann eine Paarbeziehung nicht mehr verleugnen und auch der Zeitraum, wie lange eine verfestigte Lebensgemeinschaft sein muss, um zu einer Verwirkung zu gelangen, kann erheblich verkürzt sein. Das immer wieder vorgebrachte Argument, man würde zwar eine Beziehung haben, diese aber bewusst aufgrund der Erfahrungen aus der Ehe „locker“ gestalten, zieht dann nicht mehr, wenn man, wie viele in der heutigen Zeit, ständig und überall der ganzen Welt zeigen will, wie glücklich man doch mit seinem neuen Lebenspartner sei. Nicht nur für andere Lebensbereiche, sondern auch im Familienrecht und insbesondere im Unterhaltsrecht gilt: Nicht zu viel von sich im Internet preisgeben.

 

 

 

VII. Steuern

 

FG Köln, Urteil vom 13.01.2016 – Az. 14 K 1861/15 (nicht rechtskräftig) – § 33 EStG

NZFam 2016, Seite 379

 

Ehescheidungskosten – und nur diese – können als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abgesetzt werden.

 

Diese Entscheidung erfolgte für Veranlagungszeitraum 2014, somit für einen Zeitraum, der nach der Gesetzesänderung des § 33 EStG liegt, wonach Zivilprozesskosten nur noch dann absetzungsfähig sein sollen, wenn der Steuerpflichtige anderenfalls Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren (§ 33 Abs. 2 EStG i.d.F. vom 01.07.2013). Die hiesige Entscheidung reiht sich ein in die Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz vom 16.10.2014, Az. 4 K 1976/14 – Revision eingelegt – BFH, Az. VI R 66/14 (andere Ansicht: keine Abzugsfähigkeit FG Niedersachsen, Az. 3 K 297/14). Es wird die Tendenz deutlich, dass zumindest die Scheidungskosten (Scheidung und Versorgungsausgleich, nicht jedoch die Kosten von Folgesachen wie Unterhalt, Zugewinn, Hausrat etc.) steuerlich nach § 33 EStG zu berücksichtigen sind. Diese Thematik wurde vom Verfasser schon ausführlichst unter der Überschrift „never ending story“ im Report Nr. 144, Seite 15 sowie in der Urteilsbesprechung ISUV-Report Nr. 146, Seite 19 dargelegt. Das Finanzgericht begründet seine positive Entscheidung damit, dass bei Ehescheidungen eine Zwangsläufigkeit vorläge und man bei Scheidungssachen gemäß § 150 FamFG nicht von Prozesskosten/Kosten des Rechtsstreits spricht, sondern von Kosten der Scheidungssache. Ein Scheidungsverfahren sei daher kein Prozess im klassischen Sinn und unterfällt daher nicht der engen Auslegung des § 33 EStG. Die Revision wurde auch hier zugelassen, die Revision wurde eingelegt, BFH, Az. VI R 9/16.

 

Praxistipp: In solchen Finanzverfahren sollte man bei ablehnender Entscheidung des Finanzamtes Einspruch einlegen und das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BFH beantragen.

 

Nicht absetzbar bleiben wohl Folgeverfahren, in denen wie in einem normalen Rechtsstreit widerstreitende Interessen gegenüberstehen, wie bei Unterhaltsangelegenheiten, Zugewinn etc.

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