- Wechselmodell
BGH, Beschluss vom 01.02.2017 – Az. XII ZB 601/15 – §§ 1684, 1697 a BGB
NZFam 2017, Seite 2016; FamRZ 2017, Seite 532
- Eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, wird vom Gesetz nicht ausgeschlossen. Auch die Ablehnung des Wechselmodells durch einen Elternteil hindert eine solche Regelung für sich genommen noch nicht. Entscheidender Maßstab der Regelung ist vielmehr das im konkreten Einzelfall festzustellende Kindeswohl.
- Die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung setzt eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 15. Juni 2016 XII ZB 419/15 FamRZ 2016, 1439). Dem Kindeswohl entspricht es daher nicht, ein Wechsel-modell zu dem Zweck anzuordnen, eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit erst herbeizuführen.
- Ist das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, so liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes.
- Das Familiengericht ist im Umgangsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspricht. Dies erfordert grundsätzlich auch die persönliche Anhörung des Kindes (im An-schluss an Senatsbeschluss vom 15. Juni 2016 XII ZB 419/15 FamRZ 2016, 1439).
Die Betreuung von Kindern im Wechselmodell wird immer häufiger bei getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern. Nachdem die Instanzgerichte (siehe ISUV-Report Nr. 151, Seite 20) zur Frage der rechtlichen Einordnung und zur Frage, ob gegen die Willen eines Elternteils ein Wechselmodell durch ein Gericht „installiert“ werden kann, noch eine gegenteilige Rechtsauffassung vertreten haben, hat der BGH in seiner bedeutsamen Entscheidung festgehalten, dass auch in Umgangsverfahren (Hauptsacheverfahren oder einstweilige Anordnungen) ein Wechselmodell angeordnet werden kann – auch gegen den Willen eines Elternteiles – wenn es dem Kindeswohl entspricht. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2015 (NZFam 2015, Seite 755) entschieden, dass es für den Gesetzgeber keine Pflicht gäbe, das Wechselmodell als Regelfall einzuführen. Der BGH hat nunmehr letztendlich gegen die überwiegende Auffassung in der Rechtsprechung, entschieden, dass das Wechselmodell als Umgangsregelung zwischen den Eltern durch Gerichte angeordnet werden kann. Ausdrücklich ist formuliert, dass ein Wechselmodell nicht bereits bei entgegenstehendem Willen eines Elternteils scheitert (Gleichlauf mit der Rechtsprechung zur gemeinsamen elterlichen Sorge), sondern kindswohlabhängig ist. Unter Verweis auf die Rechtsprechung zur elterlichen Sorge widerspricht es jedoch dem Kindeswohl, wenn tiefgreifende Kommunikationsschwierigkeiten der Eltern vorliegen, ein Wechselmodell erfordert auch unter dem Blickwinkel des Kindeswohls eine enge Abstimmung der Eltern. Es soll und muss geprüft werden, ob die Eltern im Einzelfall in der Lage sind, ihren persönlichen Konflikt von der gemeinsamen Wahrnehmung ihrer Elternrolle gegenüber dem Kind zu trennen und dieses von ihrem Streit zu verschonen. Auch nach Auffassung des BGH ist die Anordnung des Wechselmodells nicht geeignet, konfliktbehaftete Eltern durch ein Wechselmodell zu harmonischen Zusammenwirken in der Betreuung und Erziehung des Kindes zu veranlassen. Trotzdem wird in einem Halbsatz erwähnt, dass auch „zunächst versuchsweise“ das Wechselmodell angeordnet werden kann – insbesondere kurz nach der Trennung der Eltern – um die Bindung des Kindes an beide Eltern zu gewährleisten und die Belastung der Elterntrennung abzumildern. Darüber hinaus weist der BGH auf weitere wesentliche Kriterien bei der Kindeswohlprüfung hin, wie z. B. auf sichere Bindungen des Kindes, den geäußerten Kindeswillen und äußere Rahmenbedingungen, etwa eine gewisse Nähe der elterlichen Haushalte und die Erreichbarkeit von Schule und Betreuungseinrichtungen. Deshalb ist auch die Anhörung des Kindes zwingend geboten.
Die Entscheidung des BGH ist sehr differenzierend und wird nur im Einzelfall umzusetzen sein. Eine gesetzliche Regelung für das Wechselmodell erscheint jedoch nicht mehr notwendig. Der BGH bietet praktisch für alle bisherigen Streitfälle einen rechtlich gangbaren Weg über das Umgangsrecht, was nicht ausschließt auch über das Sorgerecht zum Wechselmodell zu gelangen. Auf der anderen Seite stellt der BGH aber auch in streitigen Fällen – diese landen vor Gericht – hohe Hürden bei der Kindswohlprüfung auf. Der Verfasser glaubt nicht, dass durch diese BGH-Entscheidung in kürzester Zeit eine Vielzahl von Wechselmodellen in streitigen Angelegenheiten angeordnet werden – das wird jedoch die Handhabe der Instanzgerichte zeigen – aber das Thema des Wechselmodells kommt verschärft in den Focus und wird in den Instanzgerichten zumindest für weitere Überlegungen sorgen, nachdem in der Vergangenheit es sich die Instanzgerichte schon einfach gemacht haben, bei Ablehnung eines Elternteils das Wechselmodell von vornherein auszuschließen. Das wird es in Zukunft nicht mehr geben. Die bisherig ablehnende Haltung zum Wechselmodell wird hoffentlich in den Hintergrund gedrängt, da auch das Wissen der Eltern, es könnte von einem Gericht „verordnet“ werden, darauf hoffen lässt, dass der Blick auf die Bedürfnisse der Kinder mehr in den Vordergrund rückt.
Im Zusammenhang mit dem Grundsatzbeschluss des BGH vom 11.01.2017 (NZFam 2017, Seite 171, siehe nachfolgende Urteilskommentierung) zum Unterhalt bei Wechselmodell liegt zumindest nunmehr auch ein rechtliches Instrumentarium vor, bei dem sich in geeigneten Fällen die paritätische Betreuung bewältigen lässt. Ob mit den beiden wichtigen Entscheidungen des BGH zum Wechselmodell auch die Tür geöffnet ist in Fällen einer umfangreichen Mitbetreuung der der Kinder, die jedoch nicht die 50 : 50-Grenze für das paritätische Wechselmodell erreichen, um ggf. zu quotalen Unterhaltsberechnungen zu gelangen, bleibt abzuwarten. Auf der einen Seite wäre dies begrüßenswert, auf der anderen Seite droht die Gefahr, dass Umgangsverfahren noch häufiger von unterhaltsrechtlichen Interessen beeinflusst werden.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Entscheidung des BGH zum Wechselmodell im Rahmen einer gerichtlichen Umgangsregelung zwar ein weiterer Schritt in Richtung, zumindest „möglichem“ Wechselmodell ist, aber wohl nicht zu einem Regelfall führt. Die Hürden im Rahmen der Kindeswohlprüfung bleiben hoch, können natürlich auch von dem das Wechselmodell ablehnenden Elternteil provoziert werden (Streitsüchtigkeit/Kommunikationsunwilligkeit/Kooperationsunwilligkeit), um das Gericht dazu zu bringen, eine Kooperationsunfähigkeit/Kommunikationsunfähigkeit – welche gegen das Kindeswohl spricht – festzustellen und damit ein Wechselmodell nicht anzuordnen. Auch da werden Gerichte genau prüfen müssen, ob solche dem Kindeswohl widersprechenden Punkte nur vorgeschoben sind bzw. bewusst eingefädelt sind (wie etwa bei negativer Kindesbeeinflussung zum anderen Elternteil), oder tatsächlich vorliegen. Damit werden die Gerichte weiterhin ihre Schwierigkeit haben, sodass man die Entscheidung des BGH nicht zu „euphorisch“ bewerten darf (weiteres zu dieser Thematik in den Merkblättern Nr. 79 / 80 – Sorgerecht/Umgangsrecht – des Verbandes ISUV). Der DFGT (Deutscher Familiengerichtstag) hat am 09.03.2017 eine kritische Stellungnahme zu dieser Entscheidung des BGH verfasst, und sieht hohe Hürden für eine gerichtliche Anordnung eines Wechselmodells (FamRZ 2017, Seite 584).
BGH, Beschluss vom 11.01.2017 – Az. XII ZB 565/15 – §§ 1606 Abs. 3, 1610 BGB
NZFam 2017, Seite 171; FamRZ 2017, Seite 437
- Im Fall des Wechselmodells haben grundsätzlich beide Elternteile für den Barunterhalt des Kindes einzustehen. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 5. November 2014 XII ZB 599/13 FamRZ 2015, 236).
- Der dem Kind von einem Elternteil während dessen Betreuungszeiten im Wechselmodell geleistete Naturalunterhalt führt nicht dazu, dass ein Barunterhaltsanspruch nicht geltend gemacht werden kann. Der geleistete Naturalunterhalt ist vielmehr nur als (teilweise) Erfüllung des Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen.
- Der Unterhaltsanspruch kann in zulässiger Weise vom Kind gegen den besser verdienenden Elternteil geltend gemacht werden. Dass er sich auf den Ausgleich der nach Abzug von den Eltern erbrachter Leistungen verbleibenden Unterhaltsspitze richtet, macht ihn nicht zu einem nur zwischen den Eltern bestehenden familienrechtlichen Ausgleichsanspruch.
- Das Kindergeld ist auch im Fall des Wechselmodells zur Hälfte auf den Barbedarf des Kin-des anzurechnen. Der auf die Betreuung entfallende Anteil ist zwischen den Eltern hälftig auszugleichen. Der Ausgleich kann in Form der Verrechnung mit dem Kindesunterhalt erfolgen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 20. April 2016 XII ZB 45/15 FamRZ 2016, 1053).
Die Rechtsprechung tut sich mit dem Wechselmodell – gerade im Unterhaltsrecht – nicht leicht. Bereits im Jahr 2016 ergingen Entscheidungen zur Berechnung des Kindesunterhaltes beim Wechselmodell (BGH, FamRZ 2016, Seite 1053 – ISUV-Report Nr. 150, Seite 18), die mit der obigen aktuellsten Entscheidung des BGH hoffentlich darüber Klarheit gebracht haben, dass auch der Elternteil, den bei der anteiligen Elternhaftung eine geringere Haftungsquote trifft, die Differenz der Haftungsquoten gegen den anderen Elternteilt geltend machen kann. Ferner hat der BGH die Rechtsprechung aus dem Jahr 2016 (BGH, FamRZ 2016, Seite 1053) bestätigt, dass die Hälfte des Kindergeldes auf den Bedarf des Kindes anzurechnen ist, die andere Hälfte zwischen den Eltern zu teilen ist.
Beim echten Wechselmodell bemisst sich der Unterhaltsbedarf des Kindes nach den beiderseitigen Einkünften der Eltern. Er umfasst zudem die in Folge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten, wie etwa Wohn- und Fahrtkosten (BGH, Beschluss vom 11.01.2017, Az. XII ZB 565/15 – siehe oben – BGH, FamRZ 2015, Seite 236; OLG Dresden, NZFam 2016, Seite 34).
Praktizieren Eltern ein Wechselmodell, führt die von einem Elternteil geleistete Kinderbetreuung nicht zur Befreiung von seiner Barunterhaltspflicht. In dieser Lage haben beide Eltern für den Barunterhalt einzustehen. Hierbei ist zu-nächst vom Regelbedarf des Kindes auszugehen, der sich aus dem Einkommen beider Elternteile errechnet. Sodann hat das Gericht den konkret darzulegenden Mehrbedarf für jedes Kind zu ermitteln. Hierbei sind nur Mehrkosten zu berücksichtigen, die dem Unterhaltsbedarf des Kindes und nicht der Lebensführung des Betreuenden zuzurechnen sind. So ist nach Treu und Glauben zu erwarten, dass Naturalleistungen, wie Eintrittsgelder, Fahrten zum Kindergarten oder zu Sportveranstaltungen vom jeweils betreuenden Elternteil al-lein zu übernehmen sind. Die erhöhten Wohnkosten sind zu errechnen aus den im Tabellenunterhalt für jeden Elternteil enthaltenen Wohnkosten (ca. 20 % des jeweiligen Tabellenunterhaltes für jeden einzelnen Elternteil). Diese Beträge sind zu vergleichen mit dem Wohnkostenanteil des Tabellenbetrages aus dem zusammengerechneten Einkommen, die Differenz ist Mehrbedarf. Mehrbedarf sind Kindergarten- oder Hortkosten. Der so ermittelte Gesamtbedarf ist unter den Eltern dann aufzuteilen entsprechend ihrer Einkommens-verhältnisse unter Berücksichtigung eines Sockelbetrages (wie bei volljährigen Kindern).
Der BGH hatte in seiner Entscheidung BGH, FamRZ 2015, Seite 236, nichts dazu ausgeführt, ob das Kindergeld nach der Quotenberechnung hälftig an-gerechnet wird (so OLG Dresden, NZFAM 2016 Seite 34 wegen der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt) oder vorher bei der Ermittlung des Bedarfes (so OLG Düsseldorf, FamRZ 2014, Seite 567). Nachfolgend hat der BGH (BGH, FamRZ 2016, Seite 1053) entschieden, dass auch im Fall des Wechselmodells das Kindergeld nur zur Hälfte auf den Barbedarf des Kindes anzurechnen ist (so auch OLG Dresden a. a. O.). Die andere Hälfte ist auf die jeweils hälftige Betreuung im Wechselmodell zur Hälfte jedem Elternteil zu-stehend und untereinander auszugleichen. Dieser Ausgleich kann in Form der Verrechnung mit dem Kindesunterhalt erfolgen. Dies hat der BGH nun-mehr für das Wechselmodell entschieden in BGH, Beschluss vom 11.01.2017, Az. XII ZB 565/15.
Auf der Grundlage der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des BGH zum Wechselmodell nachfolgende Beispielsberechnung:
Beispiel:
Vater Nettoeinkommen 3000 €
Mutter Nettoeinkommen 2000 €
Mutter erhält das Kindergeld (192 €), für zusätzlichen Wohnraum sind 50 € zu berücksichtigen, 30 € zusätzliche Fahrtkosten, die der Vater bezahlt, ebenso den Mehrbedarf für sportliche Aktivitäten i. H. v. 30 €, die Mutter bezahlt den Mehrbedarf für Klavierunterricht i. H. v. 50 €.
Lösung:
- Bedarf:
Der Gesamtbedarf des Kindes errechnet sich aus dem zusammengezählten Einkommen beider Elternteile = 5000 €. Bei Altersstufe 2 ergibt dies 629 € ab-zgl. hälftiges Kindergeld 96 € = 533 € (bei der späteren Quotenberechnung führt die Anrechnung des hälftigen Kindergeldes an dieser Stelle zu einer Verteilung nach den Einkommensverhältnissen/Aufteilung des hälftigen Kindergeldes für Barunterhalt nach Quote). Zum Bedarf wird addiert 50 € Zimmer (wobei auf jeden Elternteil 25 € hälftig verteilt werden) zzgl. 30 € Fahrtkosten zzgl. Mehrbedarf 30 € (Sport) und 50 € (Klavier), ergibt Gesamt-bedarf des Kindes 693 €
- Quote:
Gemäß § 1606 Abs. 3 BGB wird unter Berücksichtigung eines jeweiligen Selbstbehaltes von 1300 € die Quote errechnet, in der sich jeder Elternteil am Bedarf des Kindes zu beteiligen hat. Auf der Grundlage der in allen Leitlinien abgedruckten Formel zur Quotenberechnung ergibt sich ein Haftungsanteil
des Vaters von 71 %, ergibt 492 €
der Mutter von 29 %, ergibt 201 €
Durch diese Quotenberechnung erhält letztendlich der besserverdienende Elternteil aufgrund des Vorwegabzugs des hälftigen Kindergeldanteils für den Barbedarf ebenso 71 % hiervon und der andere (Mutter) lediglich 29 %.
- Anrechnung erbrachter Leistungen/Kindergeld:
Vater: 492 € ./. 25 € halber Wohnmehrbedarf ./. 30 € Fahrtkosten ./. 30 € Sportmehrbedarf = 407 €
Mutter: 201 € ./. 25 € halber Wohnmehrbedarf ./. 50 € Klavier + 95 € Hälfte des Kindergeldes für den Barbedarf der an die Mutter ausbezahlt wurde, da sie das gesamte Kindergeld erhalten hat = 221 €
- Ausgleichszahlung:
407 € ./. 221 € = 186 € : 2 = Ausgleichszahlung von Vater an Mutter
93 €
Jetzt kommt die Rechtsprechung des BGH ins Spiel, indem die Mutter dem Vater noch ein weiteres ¼ des Gesamtkindergeldes (Hälfte des hälftigen auf den Betreuungsbedarf anfallenden Kindergeldanteils) i. H. v. 48 € zu geben hat. Diese 48 € abgezogen vom eigentlichen Ausgleichsbetrag von 93 € ergibt einen tatsächliche Zahlbetrag von Vater an Mutter für den Bedarf des Kindes i. H. v. 45 €.
Bei dieser Berechnungsmethode ist sichergestellt, dass die eine Hälfte des Kindergeldes (derzeit 96 Euro) exakt halbiert auf beide Elternteile aufgeteilt wird – die Eltern betreuen ja auch 50 : 50. Die andere Hälfte des Kindergeldes, die auf den Barunterhalt entfällt, ist durch Vorwegabzug bei der quotalen Berechnung des Unterhaltes entsprechend der Einkommensverhältnisse berücksichtigt worden (so BGH, Beschluss vom 11.01.2017, Az. XII ZB 565/15 – siehe oben und BGH, FamRZ 2016, Seite 1053).
Problematisch beim Wechselmodell bleibt die Frage, wer von beiden Elternteilen die Berechtigung/Befugnis zur Geltendmachung des Kindesunterhaltes hat (Bestellung eines Ergänzungspflegers oder Übertragung der Befugnis gemäß
- 1628 BGB durch ein Gericht: BGH, FamRZ 2006, Seite 1015 und FamRZ 2014, Seite 917, wonach beide Vorgehensweisen zulässig sind – ebenso BGH, Beschluss vom 11.01.2017, Az. XII ZB 565/15, dem eine Übertragung der Befugnis zur Geltendmachung des Kinderunterhaltes gemäß § 1628 BGB vorausgegangen war).
Ein reines Wechselmodell mit einer beiderseitigen Barunterhaltspflicht liegt nach der derzeitigen Rechtsprechung nur bei nahezu völlig paritätischer Auf-teilung vor. Liegt das Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil, verbleibt es bei der alleinigen Barunterhaltspflicht desjenigen Elternteiles, welches prozentual weniger an Betreuung übernimmt. Wenn in diesen Fällen je-doch der Elternteil mit dem geringeren Anteil trotzdem einen erheblichen An-teil an Mitbetreuung übernimmt, kann dem besonderen Aufwand hierfür unterhaltsrechtlich durch Umstufung in eine niedrigere Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle Rechnung getragen werden (BGH, FamRZ 2014, Seite 917). Das kann jedoch nur gelten, wenn der Unterhaltspflichtige mehr als den Mindestunterhalt grundsätzlich zu leisten hat. So die bisherig herrschende Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht, wenn ein paritätisches Wechselmodell nicht erreich ist.
Wünschenswert wäre, wenn auch bei der Berechnung des Kindesunterhaltes nicht nur beim paritätischen Wechselmodell, sondern auch bei geringfügigeren Betreuungssituationen, die jedoch über das 14-tägige Umgangsrecht hinausgehen, quotale Kindesunterhaltsberechnungen zum Regelfall werden. Bislang wird z. B. bei einer Betreuungsaufteilung von 60 % : 40 % nicht von einem Wechselmodell ausgegangen, mit der Folge, dass der weniger betreuende Elternteil den vollen Kindesunterhalt aus der Düsseldorfer Tabelle zu bezahlen hat, ggf. ein wenig abgeschwächt durch Eingruppierung in eine niedrigere Einkommens-gruppe der Düsseldorfer Tabelle (siehe oben BH, FamRZ 2014, Seite 917). Wünschenswert und erstrebenswert wäre in solchen Fällen eine Quotenberechnung in der Form der Berechnung des BGH. Auch solche Lösungswege haben ihre Bedenken. So droht die Gefahr, dass Umgangsverfahren und der Streit über die Prozente der Betreuung der Kinder häufiger von unterhaltsrechtlichen Interessen beeinflusst werden als von Kindeswohlinteressen. Trotzdem ist es Aufgabe der Rechtsprechung Bedingungen zu schaffen, die es Eltern erleichtert ihre Kinder auch nach einer Trennung oder Scheidung gemeinsam zu betreuen. Dafür ist ein praktikables Konzept für das „paritätische“ Wechselmodell vonnöten. Die beiden Grundsatzentscheidungen des BGH (BGH, Az. XII ZB 601/15 und BGH, Az. XII ZB 565/15) haben für das paritätische Wechselmodell insoweit zumindest Vorgaben gegeben, bei Wechselmodellen, bei denen der Mitbetreuungsanteil eines Elternteils nicht paritätisch ist, fehlt es hieran.
Das Wechselmodell wird sowohl die Gesellschaft als auch die Gerichte weiterhin beschäftigen.
- Elternunterhalt
BGH, Beschluss vom 18.01.2017 – Az. XII ZB 118/16 – § 1603 BGB
NZFam 2017, Seite 2016; FamRZ 2017, Seite 519
- Neben den Zinsen sind die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Elternunterhaltspflichtigen abzuziehen, ohne dass dies seine Befugnis zur Bildung eines zusätzlichen Altersvorsorgevermögens schmälert.
- Der den Wohnvorteil dann noch übersteigende Tilgungsanteil ist als Vermögens-bildung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten im Rahmen der sekundären Alters-vorsorge auf die Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens des Eltern-unterhaltspflichtigen anzurechnen.
Der Landkreis begehrt vom Antragsgegner (Sohn des unterhaltsberechtigten Mutter) Elternunterhalt. Dies wegen der Kosten der vollstationären Unterbringung in einem Altersheim, wobei die eigenen Einkünfte (Rente etc.) der pflegebedürftigen Mutter nicht ausreichten, um alle Kosten zu decken. Der Sohn ist verheiratet, bewohnt mit seiner Ehefrau ein Eigenheim (Miteigentum) mit 200 qm Wohnfläche. Monatlich sind ca. 1000 € an Zins und Tilgung aufzuwenden. Beide Ehegatten verfügen über Erwerbseinkommen und sind steuerlich zusammen veranlagt.
Das Amtsgericht hat den den Wohnwert der Immobilie überschreitenden Darlehensbetrag auf die Rücklage für zusätzliche Altersvorsorge von 5 % des Bruttoeinkommens angerechnet. Hiergegen hat der Sohn Beschwerde zum OLG eingelegt. Das OLG hat den vom Amtsgericht ausgeurteilten Elternunterhaltsbetrag verkürzt, hiergegen wendet sich nunmehr der Landkreis mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde zum BGH.
Das OLG hatte den Wohnwert von ca. 700 € beim Sohn nicht einkommenserhöhend berücksichtigt, weil monatlich 1000 € an Belastungen dagegen stehen. Die Differenz von 300 € hat das OLG wegen der Ehe auf zwei Personen aufgeteilt und kommt insoweit zu einer weiteren abzugsfähigen Belastung von 150 €. Diese 150 € sind nach Auffassung des OLG nicht auf die zusätzliche Altersvorsorge von 5 % des Bruttoeinkommens anzurechnen, sondern gesondert als Abzugsposten zu berücksichtigen. Dies begründet das OLG damit, dass der Elternunterhalt schwächer ausgestaltet ist als andere Unterhaltspflichten, sodass die selbstgenutzte Immobilie dem Grunde nach „unangetastet“ bleiben muss und daher höhere Belastungen aus dieser Immobilie gesondert abzugsfähig sind (daneben waren die Abzugsfähigkeit von Fahrtkosten zum Arbeitsplatz des Sohnes strittig und Beiträge zu einer Risikolebensversicherung, die jedoch sowohl vom OLG als auch vom BGH als Abzugsposten in voller Höhe bestätigt wurden).
Die entscheidende Frage ob Tilgungsleistungen der selbstgenutzten Immobilie auf die Altersvorsorgequote von 5 % anzurechnen ist, wird vom BGH unter Darlegung der unterschiedlichen Rechtsprechung ausführlich diskutiert. Die einen vertreten die Auffassung, dass die Tilgungsaufwendungen auf die 5 %-Quote anzurechnen ist (OLG Hamm, FamRZ 2015, Seite 1974), die anderen vertreten die Auffassung, dass Tilgungsaufwendungen nicht in der 5 %-Quote beinhaltet sind, jedenfalls dann nicht, wenn die Verbindlichkeit vor Kenntnis der Unterhaltsverpflichtung eingegangen wurde (Wendl/Wönne, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Auflage, § 2, Rz. 993; Palandt, BGB, 76. Auflage, § 1601, Rz. 9, u. a.).
Nach Auffassung des BGH sind nur die Tilgungsleistungen auf die Altersvorsorgequote von 5 % anzurechnen, die den Wohnwert nach Abzug der Zinsen übersteigen. Der den Wohnvorteil übersteigende Tilgungsanteil ist als Vermögensbildung im Rahmen der sekundären Altersvorsorge (5 %-Quote) zu berücksichtigen. Hiergegen spricht auch nicht die Entscheidung des BGH (FamRZ 2013, Seite 1554), wonach der Vermögenswert einer selbstgenutzten Immobilie bei der Bemessung des Altersvorsorgevermögens beim Elternunterhalt unberücksichtigt bleibt. Im hier vorliegenden Fall wird durch Darlehenstilgung erst sukzessive unbelastetes Eigentum gebildet, dies ist zu unterscheiden von dem Fall, dass bereits unbelastetes Eigentum vorliegt. Ob die Beurteilung anders wäre, wenn durch die Unterhaltsbelastung die Immobilienbelastung gefährdet wäre, musst nicht geprüft werden mangels etwaiger Feststellungen, ob ein solcher Fall überhaupt vorliegt.
Der BGH hat die Sache an das OLG zurückverwiesen wegen weiterer aufklärungsbedürftiger Punkte.
Eigentlich wähnte man die Frage der Anrechnung von Tilgungsleistungen für die selbstbewohnten Immobilien als geklärt (BGH, FamRZ 2013, Seite 1545), denn wenn der Wert der selbstbewohnten Immobilie nicht zum Altersvorsorgeschonvermögen zählt, können eigentlich denknotwendigerweise Aufwendungen (Tilgungszahlungen) zum Erwerb der Immobilie ansich keine Altersvorsorge sein. Der BGH hat dies jedoch jetzt endgültig entschieden, und Tilgungsleistungen der Altersvorsorge zugerechnet, insbesondere sind derartige Leistungen als Altersvorsorgeleistungen im Rahmen der 5 %-Quote zu berücksichtigen. Solange Zins- und Tilgungsleistungen den Wohnvorteil nicht übersteigen, spielt der Wohnvorteil keine Rolle, wenn das unterhaltspflichtige Kind die Höhe des monatlichen Altersvorsorgeaufwands ausschöpft. Ein unterhaltspflichtiges Kind wird daher in Zukunft „gerne“ sich einen hohen Wohnwert zurechnen lassen, wenn auch hohe Zins- und Tilgungsleistungen zu bezahlen sind, da das dann „akzeptiert“ ist.
BGH, Beschluss vom 15.02.2017 – Az. XII ZB 201/16 – § 1603 BGB
NZFam 2017, Seite 2016
- Im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt ist der vom Unterhaltsschuldner an sein minderjähriges Kind geleistete Betreuungsunterhalt nicht zu monetarisieren.
- Die Leistungsfähigkeit ist jedoch um dasjenige gemindert, was der Unterhalts-schuldner an sein minderjähriges Kind neben der Betreuungsleistung als Barunterhalt in der Form von Naturalunterhalt erbringt. Dieser errechnet sich nach dem Tabellenunterhalt aus dem gemeinsamen Einkommen beider Elternteile unter Abzug des halben Kindergelds und des vom anderen Elternteil geleisteten Barunterhalts.
- Das dem betreuenden Elternteil zustehende hälftige Kindergeld ist kein unterhaltsrelevantes Einkommen.
- Trifft die Kinderbetreuung mit einer Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils zusammen, ist nicht ein pauschaler Betreuungsbonus zu gewähren, sondern hängt es von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, inwieweit das er-zielte Einkommen ganz oder teilweise als überobligatorisch unberücksichtigt bleibt.
Antragsteller ist der Sozialhilfeträger (Landkreis), Antragsgegnerin ist die Tochter des im Heim untergebrachten Vaters. Dessen Einkünfte (Rente etc.) waren nicht ausreichend, um die Heimkosten zu decken, der Landkreis ist mit „Sozialhilfe“ eingesprungen. Die Antragsgegnerin ist alleinerziehende Mutter eines Sohnes, für den sie vom Vater Barunterhalt in Höhe von 235 € erhält, sie selbst ist gut verdienend.
Das Amtsgericht hat die Antragsgegnerin entsprechend der gestellten Forderung zur Zahlung verpflichtet, das OLG hat diese Unterhaltspflicht geringfügig gekürzt. Das OLG hat insbesondere seine Unterhaltsberechnung damit begründet, dass das Einkommen der Antragsgegnerin um den Betreuungsunterhalt für das bei ihr lebende Kind zu berücksichtigen ist und hat anhand der Düsseldorfer Tabelle aufgrund ihres Einkommens diesen Betrag als Abzugsposten anerkannt, obwohl tatsächlich keine Barunterhaltsleistungen an das Kind geflossen sind (Monetarisierung). Im Gegenzug wurde der vom Vater bezahlte Barunterhalt nicht berücksichtigt, es handelt sich ja auch um eine Unterhaltsleistung an das Kind. Zudem könnten der Antragsgegnerin kein weiterer Betreuungsbonus oder ein Abschlag für überobligatorische Tätigkeit wegen Betreuung des Kindes zuerkannt werden. Die Antragsgegnerin hat hiergegen Rechtsbeschwerde eingelegt, welche nicht erfolgreich war.
Der BGH sieht keine Rechtsfehler zum Nachteil der Antragsgegnerin, auch wenn der BGH die Berechnungsart des OLG verneint und es ablehnt, die von der Kindsmutter geleistete Betreuung anhand der Düsseldorfer Tabelle in Geld auszudrücken (Monetarisierung) und von ihrem Einkommen abzuziehen, denn auch nach der BGH-Methode ergibt sich jedenfalls keine geringere Unterhaltsverpflichtung im Rahmen des Elternunterhaltes als vom OLG entschieden. Der BGH führt aus, dass die Betreuung des Kindes nicht unmittelbar einkommensmindernd ist, sondern ggf. überobligatorisch ist und daher das tatsächlich erzielte Einkommen nur anteilig zu berechnen ist. Weiterhin ist abzuziehen ein nicht – durch den Unterhalt des Vaters – anderweitig gedeckter Barunterhalt des Kindes oder ein entsprechender Naturalunterhalt. Insoweit ist der Bedarf des Kindes aus dem zusammengerechneten Einkommen beider Eltern zu ermitteln (einschließlich etwaigem Mehrbedarf), das hälftige Kindergeld anzurechnen und darüber hinaus natürlich dann auch der tatsächlich bezahlte Barunterhalt des Vaters. Von den Erwerbseinkünften der Mutter ist somit der errechnete Barunterhaltsbedarf ihres Kindes – bemessen nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern – abzüglich hälftigem Kindergeld und abzüglich des tatsächlich gezahlten Unterhalts abzusetzen. In dieser Höhe leistet die Mutter neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt. Rechnerisch ergab dies im konkreten Einzelfall weniger als die vom OLG bereits abgesetzten Beträge, sodass das Rechtsmittel zum BGH keinen Erfolg hatte.
Der BGH gibt noch kurze Erklärungen, warum nur die Hälfte des Kindergeldes anzurechnen ist. Ebenso bestätigt der BGH, dass es keinen pauschalen Betreuungsbonus gibt (BGH, FamRZ 2013, Seite 109), sondern allenfalls wegen überobligatorischer Tätigkeit das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen verkürzt werden kann. Im vorliegenden Fall lagen jedoch hierfür keine Anhaltspunkte vor, wonach konkrete Umstände vorliegen, die eine volle Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin neben der Betreuung ihres 12-jährigen Sohnes hindern (Einzelfall nach Treu und Glauben unter Beachtung der Umstände des Einzelfalles, vgl. FamRZ 2014, Seite 1987).
Der BGH hat letztendlich in dieser Entscheidung rechtsdogmatisch entschieden, dass Betreuungsunterhalt nicht in Geld auf der Grundlage der Düsseldorfer Tabelle ermittelt werden darf, sondern im Rahmen einer Bedarfsberechnung nach dem zusammengezählten Einkommen beider Elternteile unter Berücksichtigung des hälftigen Kindergeldes/Barunterhaltsleistungen des anderen Elternteils. Das hat schon Auswirkungen auf eine Unterhaltberechnung, auch wenn im hiesigen Fall die „fehlerhafte“ Berechnung des OLG nicht zu einer Abänderung der Entscheidung aus rechnerischen Gründen geführt hat. Betreuung ist nach Ansicht des BGH nicht in Geld ausdrückbar. Damit verkompliziert der BGH Unterhaltsberechnungen, was jedoch bedauerlicherweise immer wieder zu beobachten ist. Es wird nicht einfacher.
III. Volljährigenunterhalt
BGH, Beschluss vom 08.03.2017 – Az. XII ZB 192/16 – § 1610 BGB
NZFam 2017, Seite 346
- Zum Ausbildungsunterhalt in den sog. Abitur-Lehre-Studium-Fällen (hier: Banklehre – Lehramtsstudium; im Anschluss an Senatsurteile vom 17.5.2006 – XII ZR 54/04 = FamRZ 2006, 1100.
- Geschuldet wird eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält.
- Eltern, die ihrem Kind eine Berufsausbildung gewährt haben, sind grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Ausnahmen hiervon bestehen nur unter besonderen Umständen, etwa wenn der Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann.
- Eine fortdauernde Unterhaltspflicht kommt in Betracht, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und von vornherein angestrebt war, oder während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde.
- Es reicht jedoch aus, dass der Studienentschluss nicht von vornherein, sondern erst nach Beendigung der Lehre gefasst wird, weil es gerade der Eigenart des vom herkömmlichen Bild abweichenden Ausbildungsverhaltens entspricht, dass sich der Abiturient bei Aufnahme der praktischen Ausbildung vielfach noch nicht über ein anschließendes Studium schlüssig ist.
- Die Belange der Unterhaltspflichtigen dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Die Eltern müssen sich in ihrer eigenen Lebensplanung in etwa darauf einstellen können, wie lange sie mit einer Unterhaltslast zu rechnen haben.
- Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zur Ermöglichung einer Berufsausbildung steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Der Verpflichtete muss nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind.
Das Land hat dem volljährigen Kind BAföG gezahlt, was nunmehr vom Land vom Vater zurückgefordert wird. Das volljährige Kind hatte mit 20 Jahren an einem Wirtschaftsgymnasium das Abitur gemacht. Danach eine Banklehre mit der Abschlussnote 1,4. Danach begann sie ein Studium der Wirtschaftspädagogik mit dem Schwerpunkt katholische Theologie mit dem Ziel, Lehrerin an berufsbildenden Schulen zu werden. Dafür benötigt sie nach dem Abschluss mit dem Bachelor einen weiteren Studiengang zum Master.
In den Leitsätzen ist letztendlich schon sehr viel inhaltlich darüber gesagt, ob und inwieweit aufbauende Ausbildungsschritte unterhaltsrechtlich zu bejahen sind. In früheren Entscheidungen wurde ein sachlicher Zusammenhang zwischen Bauzeichnerlehre und Architekturstudium, landwirtschaftliche Lehre und Studium der Agrarwissenschaft sowie Banklehre und Jurastudium/Betriebswirtschaftsstudium gesehen. Im Gegensatz dazu gehört eine Banklehre an sich nicht zur selben Berufssparte wie eine Tätigkeit als Lehrerin an berufsausbildenden Schulen. Der BGH sieht dies jedoch nicht als notwendige Voraussetzung, es reicht, dass die praktische Ausbildung eine sinnvolle und nützliche Vorbereitung auf das Studium darstellt. Die Banklehre muss einen konkreten, dem Studium dienenden Nutzen haben. Auch durch den Schwerpunkt „katholische Theologie“ kann ein solcher Nutzen nicht verneint werden, da im Übrigen auch die Wirtschaftswissenschaften im Studium erhebliche Leistungspunkte beinhalten. Damit weitet der BGH das Merkmal eines sachlichen Zusammenhangs erheblich aus. Verweist deshalb auch die Angelegenheit an das OLG zurück, um die Inhalte von Banklehre und des hiesigen Studiums aufzuklären, d. h. inwieweit die Banklehre für das von der Tochter gewählte Studium eine nützliche Vorbereitung ist.
Nachdem der BGH die Kriterien für den sachlichen Zusammenhang zwischen Lehre und Studium „erweitert“, weist der BGH auf der anderen Seite jedoch darauf hin, dass auch die Belange der Unterhaltsverpflichteten nicht unberücksichtigt bleiben müssen – Leistungsfähigkeit, Zumutbarkeit, finanzielle Unterstützung während der Lehre etc. Ebenso verweist der BGH auf die notwendige Zielstrebigkeit der Ausbildung auf Seiten des Kindes. Die wichtigste Erkenntnis aus der Entscheidung ist jedoch, dass ein Ausbildungsunterhalt in den Abitur-Lehre-Studium-Fällen nicht nur dann besteht, wenn Lehre und Studium der gleichen Berufssparte angehören, sondern auch bei verschiedenen Sparten, wenn die Lehre für das Studium einen konkreten Nutzen hat. Dies ist anhand der tatschlichen Inhalte der Lehre und des Studiums im Einzelfall festzustellen. Dies bedeutet einen ehrheblichen Darlegungsaufwand und führt weiterhin zur „Nichtvorhersehbarkeit“ von Gerichtsentscheidungen (Stichwort: Einzelfallentscheidung).