In Unterhaltsberechnungen taucht häufig die Thematik eines Wohnvorteiles auf. Nachfolgend die wichtigsten Fragen/Antworten zu dieser Thematik:
Was ist ein Wohnvorteil?
Bei der Ermittlung des urteilsrechtlich relevanten Einkommens geht man grundsätzlich davon aus, dass der Unterhaltspflichtige/Unterhaltsberechtigte Miete zu bezahlen hat, auch im Selbstbehalt ist ein Mietanteil enthalten. Wer mietfrei wohnt zieht normalerweise aus diesem Wohnraum, den er mietfrei nutzt, den sogenannten wirtschaftlichen Nutzen. Hierzu gehören die Vorteile des mietfreien Wohnens im eigenen Heim. Die ersparten Mietaufwendungen sind der Wohnvorteil, d.h. der Betrag um den der Eigentümer einer Wohnung billiger als der Mieter lebt, ist als Einkommen anzusetzen. Es geht letztendlich um die Nutzung von Wohnraum, egal aus welchen Mitteln dieser Wohnwert erworben wurde (somit auch bei Erwerb von Wohnraum aus ererbten Mitteln – BGH FamRZ 1986 S. 560, oder aus dem Zugewinn bzw. Erlös aus der Vermögensauseinandersetzung – BGH FamRZ 2014 S. 1098).
Bei freiwilligen Zuwendungen Dritter – z.B. kostenfreie Überlassung von Wohnraum der Eltern – kommt es auf die Willensrichtung des Zuwendenden an. Eltern überlassen zumeist kostenlosen Wohnraum als freiwillige Leistung ohne Einkommenscharakter sodass grundsätzlich kein Wohnwert anzusetzen ist. Andere Bewertung ausnahmsweise im Mangelfall. Lebt jemand nach erneuter Heirat im Eigenheim des neuen Ehepartners so ist dies keine freiwillige Leistung dritter da dann das mietfreie Wohnen im Rahmen des Familienunterhaltes gewährt wird und somit dieser Gebrauchsvorteil insbesondere beim Kindesunterhalt zu berücksichtigen ist, anders beim Ehegattenunterhalt gegenüber dem ersten Ehegatten, da natürlich das mietfreie Wohnen nicht „eheprägend“ ist – BGH FamRZ 2012 S. 281.
Wie hoch ist der Wohnvorteil zu bemessen?
Grundsätzlich entspricht der Wohnwert der objektiven Marktmiete ohne Mietnebenkosten, d.h. der sog. Kaltmiete für eine vergleichbare Wohnung/Haus. Zumeist wird dieser Wert ermittelt an Hand von vorhandenen Mietspiegeln, anderenfalls durch Bewertung (Gutachten). Der Wohnwert wird nicht um diejenigen Kosten gemindert. Die auf einen Mieter über die Betriebskosten umlegbar sind (BGH FamRZ 2009 S. 1300). Diese Kosten sind beim unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen nicht zu berücksichtigen. Bei Miteigentum von Unterhaltspflichtigem und Unterhaltsberechtigtem sind Zins- und Tilgungsleistungen abzugsfähig, bei Alleineigentum nur die Zinsleistungen. Dies dann der Betrag, um den der Alleineigentümer billiger als ein Mieter lebt (objektive Marktmiete abzüglich Zinszahlungen). Man spricht auch beim Wohnvorteil von der Nettokaltmiete. Ob Modernisierungsrücklagen abzugsfähig sind, wird im Einzelfall zu beurteilen sein, selbiges gilt für Reparaturkosten, je nach Zustand der Immobilie.
Von dem Grundsatz der objektiven Marktmiete ist beim Trennungsunterhalt abzuweichen, anzusetzen ist dann nur der sog. angemessene Wohnwert. Der angemessene Wohnwert ist unter Berücksichtigung des durch den Auszug eines Ehepartners entstehenden „toten Kapitals“ nur in einer Höhe anzusetzen wie sich der zurückbleibende Ehegatte ansonsten für sich und die eventuell mit ihm wohnenden Kinder „leisten“ würde. Diesen angemessenen Wohnwert kann der Tatrichter gem. § ZPO schätzen, dies unter Berücksichtigung der objektiven Kaltmiete. Das gilt jedoch nicht für die gesamte Trennungszeit sondern bis zu dem Zeitpunkt, bis eindeutig feststeht, dass die Ehe endgültig gescheitert ist. Davon ist auszugehen, wenn das Scheidungsverfahren rechtshängig wird, die Eheleute in der Trennungszeit einen Ehevertrag mit Gütertrennung schließen, das gemeinsame Familienheim veräußert wird oder die Eheleute die gesamte Vermögensauseinandersetzung durchführen. Letztendlich wenn sich nach endgültigem Scheitern der Ehe der im Eigenheim verbliebene Ehegatte sich auch für die Zukunft entschieden hat, das Eigenheim – wenn auch zu groß – weiter zu nutzen. Dann greift auch in der Trennungszeit – ebenso wie beim nachehelichen Unterhalt – die objektive Marktmiete als Wohnvorteil. (BHG FamRZ 2014 S. 923/BGH FamRZ 2013 S 191/BGH FamRZ 2009 S. 23). Nur in seltenen Ausnahmefällen kann auch beim nachehelichen Unterhalt nur ein angemessener Wohnwert anzusetzen sein, wenn ein Verkauf nicht durchführbar ist (BGH FamRZ 2009 S. 1300), das ist jedoch auf wenige Einzelfälle beschränkt.
Abziehbare Kosten?
Wie bereits oben erwähnt besteht ein Wohnwert nur dann, soweit der Eigentümer billiger lebt als der Mieter. Kreditzinsen sind als Hausbelastungen immer abzuziehen. Tilgungszahlungen sind grundsätzlich Vermögensbildungen und daher nicht abzugsfähig. Allenfalls im Rahmen einer zusätzlichen Altersvorsorge in Höhe von 4 % des Bruttoeinkommens, bzw. 23 % bei selbständigen, die in keine Rentenversicherung einbezahlen. Nur wenn beide Eheleute Miteigentümer sind und eine mit den Tilgungszahlungen das Vermögen beider „vermehrt“ gilt das als in der Ehe angelegt, mit der Folge, dass auch die Tilgungsleistung bei der Ermittlung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens abzugsfähig sind. Wenn der Unterhaltspflichtige auch nach der Trennung/Scheidung Zins und Tilgung leistet und der andere mietfrei im Eigenheim wohnt, sind beim Unterhaltspflichtigen Zins und Tilgung (bei Miteigentum) bei Berechnung des Einkommens abzugsfähig und beim mietfrei Wohnenden ist der gesamte Wohnwert bedarfsdeckend wie Einkommen zu berücksichtigen. Bei Alleineigentum eines Ehegatten stellt die Tilgung spätestens ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages einseitige Vermögensbildung dar ( bei Gütertrennung bereits an Trennung), sodass nur so lange Tilgung abzugsfähig ist, solange der andere Ehepartner – ggfs. über den Zugewinnausgleich – partizipiert. Einzig Ausnahme, wenn die Tilgung als zusätzliche Altersvorsorge (siehe oben) ansetzungsfähig ist.
Was ist wenn die abzugsfähigen Hausverbindlichkeiten den Wohnwert übersteigen?
In diesen Fällen besteht dann kein Wohnwert, wenn derjenige der die Belastungen trägt, auch den Wohnwert nutzt. Gehört das Eigenheim beiden Eheleuten, sind auch die über den Wohnwert hinausgehenden Zins- und Tilgungsleistungen abzugsfähig. Hieraus ergibt sich dann sogar ein negativer Wohnwert. (BGHFamRZ 2007 S. 879)
Wie bereits erwähnt sind Betriebskosten die auf einen Mieter umlegbar sind, egal ob verbrauchsabhängig oder verbrauchsunabhängig, weder beim Einkommen noch beim Wohnwert zu berücksichtigen. Notwendige Instandhaltungskosten sind Grundstückslasten und vom Wohnwert abzuziehen, aber nur dann, wenn sie konkret anfallen. Das gilt nicht für Ausbauten oder Modernisierungsaufwendungen. Zur Finanzierung von Instandhaltungskosten können Rücklagen gebildet werden, wenn es sich um konkrete unaufschiebbare die zur ordnungsgemäßen Bewohnbarkeit der Immobilie erforderlich sind handelt( BGHFamRZ 2000 S. 351). Konkrete Instandhaltungskosten sind, wenn sie bezahlt wurden, je nach Höhe auf einen angemessenen Zeitraum umzulegen. Gerade Rücklagenbildung etc. werden von den Gerichten sehr unterschiedlich gehandhabt und sind Einzelfall abhängig.
Abschließend ist festzuhalten, dass die Nutzung eines Wohnwertes wie ein geldwerter Vorteil zu bewerten ist. Die Höhe bestimmt sich nach der objektiven Marktmiete bzw. dem angemessenen Wohnwert bis zur „Endgültigkeit“ des Scheiterns der Ehe und insbesondere danach, ob die jeweilige Immobile im Allein – oder Miteigentum mit dem anderen Ehepartner steht, und ob Zins- und Tilgungsleistungen betroffen sind. Der sich nach diesen Kriterien berechnete Wohnwert ist bei demjenigen, der ihn nutzt als unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen einzustellen, bei dem der die Lasten trägt dann – soweit abzugsfähig – beim unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen einkommensmindernd zu berücksichtigen.