Rechtsprechung aktuell

Versorgungsausgleich

 

BGH, Beschluss vom 16.05.2018 – Az. XII ZB 466/16 – §§ 31, 51 VersAusglG

FamRZ 2018, Heft 16

 

Im Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG ist die Vorschrift über den Tod eines Ehegatten (§31 VersAuslgG) uneingeschränkt anzuwenden: die Anwendung des § 31 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG führt deshalb im Falle eines Vorversterbens des insgesamt Ausgleichsberechtigten dazu, dass der überlebende, insgesamt ausgleichspflichtige Ehegatte sein während der Ehezeit erworbenes Anrecht ab dem Zeitpunkt der Antragstellung ungeteilt zurück erhält.

 

Das Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG setzt voraus, dass es sich bei der Versorgungsausgleichsentscheidung bei der Scheidung um eine Entscheidung vor dem 01.09.2009 handelt und bestimmte Wertgrenzen überschritten sind. In engen Ausnahmefällen können sogar Entscheidungen ab dem 01.09.2009 einer Abänderung unterliegen. Der BGH hatte im vorliegenden Fall eine Altentscheidung zur Grundlage, bei der die übrigen Abänderungsvoraussetzungen vorlagen, was dann zu einer sogenannten Totalrevision der alten Entscheidung zum Versorgungsausgleich führte. Weiterhin war die ansich ausgleichsberechtigte Ex-Ehefrau bereits verstorben. Grundsätzlich gilt, wenn die ausgleichsberechtigte Person stirbt, dass dann, wenn die ausgleichsberechtigte Person mehr als 36 Monate (3 Jahre) die Anrechte aus dem Versorgungsausgleich erhalten hat, dann keine Anpassung der Kürzung des Versorgungsausgleichs beim Versorgungsausgleichsverpflichteten mehr möglich ist (§ 37 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VersAusglG).

 

Im zu entscheidenden Fall stellte sich dann die Frage, ob durch die Durchführung der Totalrevision zum einen gegen die Erben der verstorbenen ausgleichsberechtigten Ex-Ehefrau möglich ist und somit eine völlig neue Entscheidung zum Versorgungsausgleich vorliegt, mit der weiteren Folge, dass dann folgerichtig in Folge dieser neuen Entscheidung keine 36 Monate Versorgungsausgleichbezug vorlag und somit auf der Grundlage der Totalrevision keine Kürzung des Versorgungsausgleichs erfolgt. Der BGH hat dies ausdrücklich bejaht (so auch schon BGH, FamRZ 2013, Seite 1287, Az. XII ZB 635/12), mit der Folge, dass wenn bei eingetretener Wertänderung der Versorgungsanrechte ein Abänderungsverfahren „erfolgreich“ ist, dass dies dann folgerichtig dazu führt, dass der überlebende Ehegatte (ansich versorgungsausgleichsverpflichtet) sein während der Ehezeit erworbenes Anrecht ab dem Zeitpunkt der Antragstellung auf Abänderung ungeteilt zurück erhält (so auch schon OLG Stuttgart, FamRZ 2015, Seite 759, OLG Koblenz, FamRZ 2015, Seite 1808 u.a. – kritisch hierzu OLG Schleswig, FamRZ 2016, Seite 822 u.a.). Der BGH hat daher in dem hier vorliegenden Fall sich berufen gefühlt, seine vorherige Rechtsprechung aus dem Jahr 2013 nochmals zu überprüfen, kam jedoch wieder zu dem Ergebnis, dass bei berechtigter Abänderung/Totalrevision und Vorversterben des ausgleichsberechtigten Ehegatten die Kürzung des Versorgungsausgleichs beim versorgungsausgleichspflichtigen Ehegatten ab Antragstellung entfällt – völlig unabhängig von der 3-Jahres-Regel.

Insgesamt gilt folgendes:

 

Wird von einem ehemaligen Ehegatten eine Abänderung der alten Versorgungsausgleichsentscheidung vor dem 01.09.2009 gemäß § 51 VersAusglG begehrt, findet eine sogenannte Totalrevision statt, d. h. der Versorgungsausgleich wird völlig neu berechnet. Nach § 31 VersAusglG kann auch nach dem Tod des anderen Ehegatten gegenüber den Erben dieser „Anspruch auf Totalrevision“ geltend gemacht werden. Die hat zur Folge, dass wenn der Abänderungsantrag durchgreift und die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, eine neue rechtskräftige Entscheidung über den Versorgungsausgleich vorliegt und somit selbst dann, wenn der verstorbene Ehegatte mehr als 36 Monate aus der Durchführung des Versorgungsausgleichs vor seinem Tod profitiert hat, die vormalige Kürzung der Rentenanrechte des überlebenden Ehegatten der zum Versorgungsausgleich verpflichtet gewesen ist, nicht mehr erfolgt. Der bereits verstorbene Ehegatte – obwohl mehr als 36 Monate aus dem VA profitiert – kann aufgrund seines Todes nicht mehr von der neuen Entscheidung zum Versorgungsausgleich „profitieren“. Er bezieht keine Rente aus dem Versorgungsausgleich, mit der Folge, dass dem überlebenden Ehegatten seine volle Rente bleibt (BGH, Beschluss vom 05.06.2013, Az. XII ZB 635/12, FamRZ 2013, Seite 1287 sowie BGH, Beschluss vom 16.05.2018, Az. XII ZB 466/16). Grundvoraussetzung für eine sogenannte Totalrevision nach § 51 VersAusglG ist, dass eine Wertänderung stattgefunden hat, insbesondere die Grenzwerte nach § 51 Abs. 2 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 3 FamFG überschritten sind. Verstirbt der Versorgungsausgleichsberechtigte vor dem Versorgungsausgleichspflichtigen, führt dies nach der Rechtsprechung des BGH dazu, dass wenn eine VA-Entscheidung vor dem 01.09.2009 ergangen ist und die entsprechende Wertänderung eingetreten ist, der Versorgungsausgleichsberechtigte ab dem Zeitpunkt der Antragstellung sein während der Ehezeit erworbenes Anrecht ungeteilt zurückerhält – auch wenn der Versorgungsausgleichsberechtigte länger als 36 Monate aus dem Versorgungsausgleich Zahlungen erhalten hat. Man müsste daher anraten, erst dann einen Abänderungsantrag mit den oben genannten Folgen zu stellen, wenn der Ex-Ehegatte verstorben ist. Nur, wer weiß, wann dieser Zeitpunkt eintritt und ob man nicht selbst der Erstversterbende ist …

 

Nachdem die Praxis zeigt, dass wenige das Instrumentarium der Abänderungsmöglichkeit einer alten Versorgungsausgleichsentscheidung vor dem 01.09.2009 gemäß § 51 VersAusglG ergreifen, wird auch der hier entschiedene „Vorversterbensfall“ wohl in der Rechtspraxis nicht so häufig vorkommen. Obwohl es sich hierbei um eine überlegenswerte Möglichkeit des an sich Ausgleichspflichtigen handelt – bei Tod des Versorgungsausgleichsberechtigten – die volle Altersvorsorge wieder zu erhalten. An sich sollte jeder, der im Alter von der Durchführung des Versorgungsausgleichs negativ betroffen ist und der Ex-Ehepartner vor ihm verstirbt, darüber nachdenken, diese Möglichkeit des Zurückerhaltens der vollen Altersvorsorge zu ergreifen. Zumeist haben sich aufgrund des Zeitablaufs die Werte zur Berechnung des VA verändert und die oben genannte Wesentlichkeitsgrenze ist für eine Totalrevision des VA erreicht.

 

 

Sorgerecht

 

BVerfG, Beschluss vom 23.04.2018 – Az. 1 BvR 383/18 – § 1666 BGB; Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 GG

NZFam 2018, Seite 599

 

  1. Bei Anordnung der Trennung eines Kindes von den Eltern ist die erforderliche Kindeswohlgefährdung hinreichend dargelegt, wenn bei dem betroffenen Kind erhebliche, typischerweise aus verschiedenen Formen der Vernachlässigung resultierende Schäden aufgezeigt werden.
  2. In einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist eine gesicherte Ermittlungsgrundlage wegen des typischerweise bestehenden Eilbedürfnisses nicht gefordert.
  3. Die Gerichte können im Eilverfahren entscheiden, ohne zuvor ein Sachverständigengutachten und weitere ärztliche Stellungnahmen einzuholen, wenn bereits hinreichende Anhaltspunkte für das Vorliegen einer gegenwärtig nur durch einen vorläufigen Sorgerechtsentzug abwendbaren Kindeswohlgefährdung bestehen.

 

Mit einer Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen einen Sorgerechtsentzug für seine beiden minderjährigen Kinder in einem einstweiligen Anordnungsverfahren. Die Eltern leben getrennt, ihr Verhältnis ist hoch konfliktbehaftet. Der Beschwerdeführer selbst lebt in einer Obdachlosenunterkunft, auch die Verhältnisse bei der Mutter sind „schwierig“. So hat die Grundschule der Tochter Anfang 2017 berichtet, dass die Tochter verwahrlost wirke und verstört erscheine. Familienhilfe vom Staat wurde installiert. Schulfehlzeiten lagen vor. Zu Beginn des Schuljahres 2017/17 wurde gar keine Schule mehr besucht. Das Jugendamt hat Gefährdungsmeldungen an das Amtsgericht gegeben, das Amtsgericht hat im Wege einer einstweiligen Anordnung den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen sowie weitere sorgerechtliche Angelegenheiten (z. B. schulische/medizinische) entzogen und die Kinder in einer sogenannten Inobhutnahmegruppe untergebracht. Der Verfasser unterlässt es jetzt, die weiteren Einzelheiten der „chaotischen“ Verhältnisse der Eltern dazustellen, es wurden jedoch dann alle Beteiligten mündlich angehört, das Amtsgericht hat ohne Sachverständigengutachten seine einstweilige Anordnung bestätigt wegen Gefährdung des Kindeswohles, das Oberlandesgericht hat diese Entscheidung gehalten. Gerügt wird die Verletzung von Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG.

 

Das Verfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Das Bundesverfassungsgericht stellt klar, dass die räumliche Trennung von Eltern den stärksten Eingriff in das Elterngrundrecht darstellt und Art. 6 Abs. 3 GG einen solchen Eingriff nur unter strengen Voraussetzungen zulässt. Das elterliche Fehlverhalten muss ein solches Ausmaß erreicht haben, dass das Kind bei den Eltern in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist. Das Kindeswohl muss ohne den Sorgerechtsentzug nachhaltig gefährdet sein. Das Bundesverfassungsgericht führt dann weiter aus, dass unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe keine Grundrechtsverletzung vorliegt. Gerichten ist es in kindesschutzrechtlichen Eilverfahren regelmäßig nicht möglich, noch vor der Entscheidung ein Sachverständigengutachten einzuholen. Dies steht dem vorläufigen Sorgerechtsentzug nicht entgegen, entscheidend ist vielmehr, ob die Gefährdungslage nach Ausmaß und Wahrscheinlichkeit aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse bereits derart verdichtet ist, dass ein sofortiges Einschreiten auch ohne weitere gerichtliche Ermittlungen geboten ist (BVerfG, Beschluss vom 17.07.2017, Az. 1 BvR 1202/17). Dies hat das BVerfG aufgrund des Sachverhaltes festgestellt.

 

Mit dieser Entscheidung ist nun klagestellt, dass gerade in Verfahren der einstweiligen Anordnung wegen des Eilbedürfnisses die Einholung eines Sachverständigengutachten nicht notwendig ist, wenn die Abwägung ergibt, dass der Kindeswohlgefährdung auf andere Art du Weise nicht begegnet werden kann. Die Kindeswohlgefährdung muss gegenwärtig sein, dies ergab sich aus dem Akteninhalt, der eine durchgängig verweigerte Mitarbeit der Eltern und fehlende Einsicht in die Hilfsbedürftigkeit ihrer Kinder darstellt.

 

Es ist darauf hinzuweisen, dass das „soziale Umfeld“ im hier entschiedenen Fall schon außergewöhnlich war und daher eigentlich diese Entscheidung für den „Normalfall“ wenig Bedeutung hat, aber auch als Argumentationshilfe dienen kann, welche Kindswohlgefährdung vorliegen muss, damit ein Entzug des Sorgerechts für beide Eltern ohne Sachverständigengutachten begründet ist.

 

 

 

BVerfG, Beschluss vom 22.03.2018 – Az. 1 BvR 399/18 – § 1671 BGB; Art. 6 Abs. 2 GG

NZFam 2018, Seite 703

 

  1. Der Gesetzgeber darf einem Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind für den Fall zuordnen, dass die Voraussetzung für eine gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung fehlen. Bei der konkreten Regelung des Sorgerechts im Einzelfall unter Berücksichtigung der widerstreitenden Grundrechte ist es von Verfassungs wegen nicht geboten, der gemeinsamen Sorge gegenüber der alleinigen Sorge einen Vorrang einzuräumen.
  2. Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge muss am Wohl des Kindes ausgerichtet sein. Sie setzt keine Kindeswohlgefährdung voraus.
  3. Die Grundrechte des Kindes gebieten, bei der gerichtlichen Sorgerechtsregelung den Willen des Kindes zu berücksichtigen, aber nur soweit das mit seinem Wohl vereinbar ist.
  4. Ist eine Entscheidung über die elterliche Sorge angegriffen, die auf Antrag eines Elternteils ergangen ist, beschränkt sich die Aufgabe des BVerfG grundsätzlich darauf, zu prüfen, ob die Fachgerichte eine auf das Wohl des Kindes ausgerichtete Entscheidung getroffen und dabei die Tragweite der Grundrechte aller Beteiligten nicht grundlegend verkannt haben.

 

 

Im Gegensatz zum vorherigen Beschluss des BVerfG (siehe oben), geht es hier nicht um den Sorgerechtsentzug für beide Elternteile und das Unterbringen in einer Pflegefamilie, sondern um den „Normalfall“, in dem die Eltern über die alleinige elterliche Sorge eines Elternteiles streiten. Im vorliegenden Fall waren die Kinder 15 und 17 Jahre alt, die seit der Trennung der Eltern – seit 4 Jahren – bei der Mutter leben und den Kontakt zum Vater strikt ablehnen. Das Amtsgericht hatte zunächst den Antrag der Mutter auf Übertragung der Alleinsorge abgewiesen, das OLG hat nach Anhörung der Eltern/Verfahrensbeistand/Jugendamt die elterliche Sorge auf die Mutter übertragen, mit dem Argument, dass dies dem Kindeswohl am besten entspricht. Das OLG hält fest, dass nicht davon auszugehen ist, dass die Eltern in naher Zukunft ihren Konflikt würden beilegen können und zeitnah erforderliche Entscheidungen für die Kinder treffen können, ohne diese Konflikte auf dem Rücken der Kinder auszutragen. Der Vater rügt die Verletzung seines Elternrechts nach Art. 6 Abs. 2 GG, das OLG hätte den verfassungsrechtlichen Vorrang der gemeinsamen elterlichen Sorge vor der Alleinsorge verkannt. Für die Begründung der Alleinsorge reiche es nicht, dass die Eltern tief zerstritten seien, weil dies nichts über ihre Unfähigkeit/Fähigkeit sage, in Angelegenheiten der Kinder zu gemeinsamen kindeswohlverträglichen Lösungen zu gelangen.

 

Auch im hiesigen Fall hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde mangels Erfolgsaussicht nicht zur Entscheidung angenommen (§ 93 a BVerfGG). Die Entscheidung des OLG ist mit Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar. Der Gesetzgeber darf über § 1671 BGB einem Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind zuordnen, wenn wegen fehlender tragfähiger Beziehung zwischen den Eltern die gemeinsame Wahrnehmung der Elternverantwortung fehlt. Es gibt keinen Vorrang der gemeinsamen Sorge. Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge muss am Kindeswohl als oberste Richtschnur orientiert sein, setzt aber keine Kindeswohlgefährdung voraus, wie sie bei Trennung eines Kindes von seinen Eltern nach Art. 6 Abs. 3 GG erforderlich ist (siehe obiger Fall zum elterlichen Sorgerecht). Dem Willen des Kindes kommt mit zunehmendem Alter immer größere Bedeutung zu. In den hiesigen Fällen kommt es darauf an, ob die Instanzgerichte eine auf das Wohl des Kindes ausgerichtete Entscheidung getroffen haben. Ein Verfassungsverstoß ist daher nicht zu erkennen, zumal dem Willen der Kinder wegen ihres fortgeschrittenen Alters eine höhere Bedeutung zukommt.

 

Diese Entscheidung des BVerfG liegt auf der Linie vorangegangener Entscheidungen. Wenn die Eltern keine tragfähige soziale Beziehung haben, ist eine gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung problematisch, sodass auch das Alleinsorgerecht im Einzelfall von den Instanzgerichten angeordnet werden kann. Für die Praxis ist wichtig, zu beachten, dass das Gericht sowohl hinsichtlich seines Prüfungsmaßstabes als auch hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und Übertragung der Alleinsorge (Kindeswohl als Richtschnur) klar von der Entziehung des Sorgerechts zum Zweck der Trennung des Kindes von seinen Eltern (Kindeswohlgefährdung erforderlich – siehe obige Entscheidung des BVerfG) unterschiedet.

 

 

 

OLG Celle, Beschluss vom 02.01.2018 – Az. 10 UF 126/16 – §§ 1626, 1671, 1684 BGB

NZFam 2018, Seite 528

 

Langjährige Manipulationen eines Kindes durch einen Elternteil gegen den anderen Elternteil können sich als chronische Gefährdung des Kindeswohls darstellen und einen Haushaltswechsel des Kindes auch bei entgegenstehendem Kindeswillen notwendig machen.

 

Die Eltern leben seit 2013 getrennt, die Kinder sind jetzt 10 und 13 Jahre alt. Die Nichterfüllung finanzieller Forderungen der Mutter hat diese mit Umgangsblockade beantwortet. Zuvor bestand eine gute Bindung der Kinder zum Vater. Bereits 2014 hat ein Gutachter festgestellt, dass starke Beeinflussung der Kinder durch die Mutter stattfindet. Der Vater hat die Übertragung der elterlichen Sorge beantragt, beim Amtsgericht hat der Sachverständige wegen fehlender Mitwirkung der Mutter die Begutachtung abgebrochen. Trotzdem hat das AG die elterliche Sorge der Kindsmutter übertragen. Beim OLG gelang es auch dem dortigen Gutachter nicht, Kontakte mit der Kindsmutter herzustellen, Verfahrensbeistand und Jugendamt sprachen sich aufgrund der guten Sozialisation der Kinder und dem Willen der Kinder für einen Verbleib im Haushalt der Mutter aus. In einem Anhörungstermin des OLG hat es einen Gutachter für Psychiatrie und Psychotherapie hinzugezogen, der der Einschätzung von Verfahrensbeistand/Jugendamt widersprach, mit der Begründung, dass für die Entwicklung der Kinder der Kontakt zum Vater wichtig sei und die ablehnende Haltung der Kinder nicht zu erklären ist. Nach weitergehender Blockade der Kindsmutter wurde dann sogar der vorehelich geboren Sohn der Mutter einbezogen, der auch keinen Kontakt zum Vater hatte und in der Pubertät psychiatrisch aufgefallen war. Der Gutachter kam dann zum Ergebnis, dass bei der Mutter eine Persönlichkeitsstörung vorläge (emotional-instabile Persönlichkeitsstörung ADS), eine genaue Diagnose aufgrund der fehlenden Mitwirkung jedoch nicht möglich sei. Wortwahl und Argumente der ehelichen Kinder zeigen jedoch, dass sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung gestört sind, was auf eine direkte und lang anhaltende Beeinflussung durch die Kindsmutter hinweist. Darin liegt eine chronische Kindeswohlgefährdung – auch schon durch die Defizite des älteren Geschwisterteils (nichtehelich) manifestiert.

 

Das OLG hat die elterliche Sorge auf den Vater übertragen. Dies mit der Begründung, dass bei der Kindsmutter manipulatives Verhalten vorliegt, einhergehend mit einer chronischen Kindeswohlgefährdung. Beim Vater besteht die größere Förderkompetenz, Bindungstoleranz und damit bessere Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder. Die enge Bindung der Kinder ist aufgrund der krankhaften Störung der Persönlichkeitsstruktur der Mutter kein Vorteil sondern eher Nachteil. Zwar ist der entgegenstehende Wille der Kinder nicht unbeachtlich, aber wegen der Instrumentalisierung durch die Mutter unbeachtlich.

 

Die Entscheidung basiert natürlich auf der klaren Feststellung eines Sachverständigen, wonach die Kindsmutter eine krankhafte Persönlichkeitsstörung hat. Eine solche klare Aussage findet man in Gutachten leider selten. Des Weiteren ist ein Haushaltswechsel der Kinder im Hinblick auf deren Widerstand und aufgrund des geäußerten entgegenstehenden Kindeswillens auch ungewöhnlich aber eben nicht unmöglich. Da kommt es dann ganz entscheidend auf die Aussagen im Gutachten an, die offensichtlich im vorliegenden Fall sehr eindeutig waren.

 

 

 

BGH kompakt

 

BGH, Beschluss vom 20.06.2018 – Az. XII ZB 84/17 – § 242 BGB

http://www.bundesgerichtshof.de

 

Mit der Anpassung von Eheverträgen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmissbrauchskontrolle (Wirksamkeitskontrolle – Ausübungskontrolle gemäß § 242 BGB) sollen ehebedingte Nachteile ausgeglichen werden; sind solche Nachteile nicht vorhanden oder bereits vollständig kompensiert, dient die richterliche Ausübungskontrolle nicht dazu, dem durch den Ehevertrag belasteten Ehegatten zusätzlich entgangene ehebedingte Vorteile zu gewähren und ihn dadurch besser zu stellen, als hätte es die Ehe und die mit der ehelichen Rollenverteilung einhergehende Dispositionen über Art und Umfang seiner Erwerbstätigkeit nicht gegeben (so schon BGH, FamRZ 2014, Seite 1978 und FamRZ 2013, Seite 770).

 

Die Beteiligten streiten um Zugewinnausgleich und dabei insbesondere um die Auslegung und Wirksamkeit ihres Ehevertrages. Dieser sieht einen Ausschluss von Versorgungsausgleich und nachehelichem Unterhalt vor, wenn die Ehe kürzer als 10 Jahre ist. Diese Regelung soll unwirksam werden, sollte ein gemeinsames Kind geboren werden. Zudem waren zugewinnrechtliche Regelungen getroffen, wonach bestimmte Vermögensgegenstände nicht in den Zugewinn fallen. In der Ehe wurde in Kind geboren, in der Ehe hat die Frau das vor der Ehe begonnene Studium abgeschlossen und die Ehe hielt länger als 10 Jahre. Folgerichtig wurde dann auch der Versorgungsausgleich im Scheidungsverfahren im Jahr 2011 durchgeführt und nachehelicher Unterhalt geregelt. Im Zugewinnausgleich wurde der Ehemann zu einem Ausgleichsbetrag von 50.000 € verpflichtet, die Ehefrau hat weitere 75.000 € geltend gemacht.

 

Ohne hier die einzelnen Zahlen darzustellen, hat der BGH darauf hingewiesen, dass es maßgeblich sei, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus einem vereinbarten Ausschluss einer Scheidungsfolge eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung ergibt. Dies gilt insbesondere dann, wenn durch die tatsächliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse im Vergleich zum Vertragsschluss ehebedingte Nachteile entstehen, die durch den Ehevertrag nicht angemessen kompensiert werden. Hat ein Ehegatte z. B. durch Übernahme von Haushaltsführung und Kinderbetreuung Nachteile beim Aufbau einer eigenen Altersvorsorge erlitten, greift grundsätzlich der Versorgungsausgleich, sodass ein Zugewinnverzicht nicht schädlich ist – dies gilt auch dann, wenn die Versorgungsnachteile fiktiv bei eigener Tätigkeit während der Ehezeit nicht komplett kompensiert werden und der Ehegatte durch Vermögensaufbau zusätzliche Altersvorsorge betreibt. Im hier vorliegenden Fall hat die Ehefrau sogar noch Zugewinn erhalten, weil der Zugewinn nicht komplett ausgeschlossen war, sondern nur modifiziert wurde. Mit diesem Zugewinn hatte die Ehefrau sogar sämtliche ehebedingte Nachteile aus der fiktiven Berechnung von Versorgungsanwartschaftsrechten für sich selbst bei weitem kompensiert mit der Folge, dass keine weitere Unwirksamkeit des Ehevertrags vorliegt, weil die Rechtsmissbrauchskontrolle durch den BGH keine ehebedingten Vorteile ausgleichen soll.

 

BGH, Beschluss vom 11.04.2018 – Az. XII ZB 121/17 – § 1578 BGB; § 238 FamFG

FamRZ 2018, Seite 914

 

Ist ein Abänderungsantrag des Unterhaltsberechtigten auf Erhöhung des titulierten Unterhalts vollständig abgewiesen worden, so kann ein späterer Abänderungsantrag des Unterhaltsverpflichteten auf Herabsetzung auch auf solche Tatsachen gestützt werden, die schon im vorausgegangenen Abänderungsverfahren zu berücksichtigen gewesen wären (Aufgabe von BGH, FamRZ 1998, Seite 99).

 

Diese Entscheidung enthält eine sehr bedeutsame Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Ausschlusswirkung nach § 238 Abs. 2 FamFG. Der BGH hatte bislang entschieden, dass wenn in Vorverfahren schon Tatsachen vorlagen, die zu einer Abänderung führen können und diese nicht in den Prozess eingeführt wurden, dass man dann später mit diesem Tatsachenvortrag in einem Abänderungsverfahren nicht mehr gehört werden kann und man mit diesem Tatsachenvortrag ausgeschlossen (präkludiert) ist. Dies hätte im vorliegenden Fall auch für den hiesigen Unterhaltsverpflichteten gegolten. Dieser hätte im Vorverfahren im Wege eines sogenannten Abänderungswiderantrages die schon bekannten Tatsachen vortragen müssen, um zu einer Herabsetzung des Unterhaltes zu gelangen. Diese Rechtsprechung hat der BGH nunmehr aufgegeben. Die Rechtskraft der Entscheidung im Vorverfahren der Unterhaltsberechtigten bezieht sich nur auf die Zielrichtung des damaligen Antrages auf „Unterhaltserhöhung“ und eben nicht auf das Begehren der Unterhaltsreduzierung. Da eine Herabsetzung des Unterhaltes im Vorverfahren nicht streitgegenständlich war (nur die Unterhaltserhöhung), ist der Unterhaltsverpflichtete mit Tatsachen, die im Vorverfahren schon bekannt waren, in einem zeitlich nachfolgenden Abänderungsverfahren auf Herabsetzung des Unterhaltes nicht präkludiert. Dies gilt jedoch nur, weil das Vorverfahren auf Unterhaltserhöhung vollständig abgewiesen war. Etwas anderes gilt dann, wenn im Vorverfahren die Höhe des Unterhaltes unter Berücksichtigung aller Argumente und Tatsachen neu festgelegt worden wäre, da dann auch ggf. Herabsetzungsgründe in diese Entscheidung eingeflossen sind.

Werbung

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s