Rückforderung von Schenkungen
BGH, Urteil vom 18.06.2019 – Az. X ZR 107/16 – § 313 BGB
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Größere Geldgeschenke müssen nach Trennung vom Lebensgefährten des Kindes nur ausnahmsweise an die Eltern des Kindes vom Lebensgefährten zurückbezahlt werden.
Der Bundesgerichtshof hatte sich mit einem Fall von Rückforderungen einer Schenkung zu beschäftigen. Klägerin war die Mutter ihrer Tochter, die mit dem Beklagten in nichtehelicher Lebensgemeinschaft gelebt hatte. Die Klägerin und ihr Ehemann hatten der Tochter und dem Lebensgefährten ca. 100.000 € zur Finanzierung einer Immobilie zugewandt. Nach noch nicht einmal 2 Jahren nach der Zuwendung ging die nichteheliche Lebensgemeinschaft zu Bruch. Die Klägerin hat die Hälfte des zugewandten Betrages vom ehemaligen Lebensgefährten ihrer Tochter zurückgefordert, hiervon einen prozentualen Abschlag wegen der ca. 2 Jahre zwischen Zuwendung und Trennung gemacht, und insgesamt 47.000 € gefordert.
Die Rechtsprechung hatte bislang Rückforderungsansprüche von Zuwendungen/Schenkungen von Eheleuten untereinander (sogenannte ehebezogene Zuwendungen) und von Partnern in nichtehelicher Lebensgemeinschaft (gemeinschaftsbezogene Zuwendungen) zu entscheiden gehabt. Unter Berücksichtigung von Zumutbarkeitskriterien hat der BGB unter bestimmten Voraussetzungen zumeist Rückforderungsansprüche nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in engem Rahmen zugelassen. Insoweit richtet sich dies nach der Dauer der Lebensgemeinschaft vor der Zuwendung/Trennung, Einkommens- und Vermögensverhältnisse, Alter der Partner im Zeitpunkt der Trennung, Vorhandensein der Schenkung (ständige Rechtsprechung BGH, FamRZ 2012, Seite 1789 für Eheleute; BGH, FamRZ 2013, Seite 1295 für nichteheliche Lebensgemeinschaft).
Daneben hat der BGH auch schon über Rückforderung von Zuwendungen der Schwiegereltern gegen ihr Schweigerkind entschieden. Dies sollen keine ehebezogenen Zuwendungen sein, sondern Schenkungen (ehebezogene Schenkung). Auch hier greifen die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Auch hier gelten folgende Kriterien:
- Dauer der Ehe des Kindes mit dem Schwiegerkind von der Zuwendung bis zur Trennung
- Höhe der noch vorhandenen Vermögensmehrung
- Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schwiegerkindes/der Schweigereltern
Bei der Höhe des Rückgewähranspruchs ging die Rechtsprechung bislang davon aus, dass wenn die Ehe noch 20 Jahre Bestand hatte, dass dann der verfolgte Zweck erreicht war und somit kein Rückgewähranspruch mehr gegeben ist (OLG Frankfurt, FamRB 2013, Seite 237; OLG Düsseldorf FamRZ 2014, Seite 161/wenn die Ehe z. B. 10 Jahre nach der Zuwendung gescheitert war, konnte auch nur die Hälfte der Zuwendung zurückgefordert werden). Andere haben die Höhe des Rückgewähranspruchs bemessen nach dem Alter und der zukünftigen Lebenserwartung des Schwiegerkindes/eigenen Kindes und haben die Höhe des Rückforderungsanspruchs prozentual auf dieser Grundlage ermittelt. Zur Rückforderung von Eltern gegenüber dem nichtehelichen Lebensgefährten des eigenen Kindes gab es bislang keine Rechtsprechung.
Mit der jetzigen Entscheidung hat der BGH diese Frage erstmalig zu beantworten gehabt. Zuständig war in diesem Fall der 10. Zivilsenat des BGH und nicht der 12. Familiensenat des BGH. Der BGH hat auch für diesen Fall (wie bei Schwiegereltern) Rückforderungsansprüche der Eltern auf der Grundlage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zwar bejaht, aber die Grenzen sehr eng gesteckt:
Größere Geldgeschenke an das Kind und dessen Partner müssen nur dann zurückgezahlt werden, wenn die Beziehung ungewöhnlich schnell nach dem Zeitpunkt der Zuwendung zerbricht.
Dies steht im Widerspruch zur bisherigen „These“ des 12. Familiensenats, wonach erst ab einer Dauer von ca. 20 Jahren ein Rückgewähranspruch nicht mehr besteht. Der 10. Zivilsenat hat jetzt den Grundsatz aufgestellt, dass bei größeren Geldgeschenken und selbst bei Grundstücksschenkungen kein Rückforderungsanspruch besteht, wenn nicht ausnahmsweise – wie im zu entscheidenden Fall knapp 2 Jahre – die Beziehung kurz nach der Zuwendung zerbricht. Das Risiko, dass eine Beziehung nicht ewig hält, trägt der Schenker, und dieses Risiko verwirklicht sich eher recht schnell nach der Zuwendung. Leider hat der BGH zwar im zu entscheidenden Fall bei knapp 2 Jahren noch einen Rückforderungsanspruch gesehen, aber nicht gesagt, ab wann der Rückforderungsanspruch nicht mehr gegeben gewesen wäre (Einzelfall). Es wäre schön gewesen, wenn der BGH hier einen zeitlichen Rahmen vorgegeben hätte. Weiterhin hat der BGH entschieden, dass der Rückforderungsanspruch immer dann, wenn er begründet ist, zu 100 % besteht und einer Quotenberechnung nicht zugänglich ist. Ebenfalls hat der BGH ausgeführt, dass es keine Rolle spiele, ob die Kinder mit oder ohne Trauschein mit ihrem jeweiligen Lebensgefährten zusammenleben.
Diese Rechtsprechung des 10. Zivilsenats grenzt weitaus deutlicher die Rückforderungsmöglichkeiten von „Schwiegereltern“ ein. Ob der 12. Familiensenat dies so übernimmt, ggf. anders entscheidet oder sogar ein „großer“ Senat angerufen wird, bleibt abzuwarten.
Für den Rechtssuchenden und auch für Rechtsanwälte wird die Beurteilung der Chancen und Risiken eines Rückforderungsanspruchs einzuschätzen nicht leichter, im Gegenteil. Ist jetzt schon ab 2 bis 3 Jahren „Schluss“ mit Rückforderungsansprüchen? Auch bei Schwiegereltern? Gibt es neue/andere Ermessenskriterien für den Rückgewähranspruch dem Grunde nach und zur Höhe des Rückgewähranspruchs, wie sie der 12. Zivilsenat bislang aufgestellt hatte (BGH, FamRZ 2010, Seite 958; BGH, FamRZ 2006, Seite 394)? Die Einzelfallrechtsprechung und die Einzelfallkriterien spielen immer mehr eine größere Rolle und führen letztendlich zur Rechtsunsicherheit. Es bleibt abzuwarten, wie der 12. Familiensenat sich hierzu positioniert, es bleibt zu hoffen, dass auch der 12. Familiensenat alsbald Gelegenheit bekommt, diese Frage zu beantworten.
Steuerrecht
OLG Celle, Beschluss vom 02.04.2019 – Az. 21 UF 119/18 – §§ 1353, 280, 816 II BGB; § 26 EStG
NZFam 2019, Seite 557
- Verletzt ein Ehegatte seine Verpflichtung, gemäß § 1353 I 2 BGB der gemeinsamen steuerlichen Veranlagung der Ehegatten (§ 26 EStG) zuzustimmen, kann dem anderen Ehegatten ein Erstattungsanspruch aus § 816 II BGB bzw. ein Schadensersatzanspruch aus § 280 I BGB zu-stehen.
- Die Frage, ob die Ehegatten nach der ab dem Veranlagungsjahr 2013 geltenden Regelung nach § 26 II 4 Nr. 1 bis 3 EStG noch wirksam die Zusammenveranlagung wählen können, wenn der Steuerbescheid eines Ehegatten zur Einzelveranlagung bereits bestandskräftig ist, bedarf in dem auf Schadensersatz oder auf Erstattung gerichteten Verfahren keiner Entscheidung.
- Für die Aufteilung einer Steuerschuld oder -erstattung ist das Verhältnis der Steuerbeträge im Fall einer fiktiven Einzelveranlagung gemäß §§ 268, 270 AO zugrunde zu legen. Dafür ist die festgesetzte Steuerschuld zum Quotienten aus der eigenen fiktiven Steuerschulden im Fall der Einzelveranlagung zu der Summe der fiktiven Steuerschulden beider Ehegatten im Fall ihrer EinzeIveranlagung in Verhältnis zu setzen.
Im vorliegenden Fall war die Ehe geschieden, Streit herrschte darüber, ob für Veranlagungszeiträume vor der Scheidung der Ehegatte zur steuerlichen Zusammenveranlagung verpflichtet werden kann, hilfsweise Schadensersatz in Höhe des Steuernachteils bei getrennter Veranlagung/Einzelveranlagung verlangen kann.
Das OLG wendet die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs konsequent an, wonach sich ein Ehegatte schadensersatzpflichtig macht, wenn er – solange die steuerlichen Voraussetzungen vorliegen – einer Zusammenveranlagung nicht zustimmt (BGH, NJW 2010, Seite 1978). Im Gegenzug muss man jedoch dem anderen Ehegatten die steuerlichen/zusätzlichen Belastungen ersetzen, die möglicherweise durch die Zusammenveranlagung entsteht. Mit dem Verlangen zur gemeinsamen Veranlagung muss der Ehegatte sich dazu verpflichten und erklären, dass er eventuelle finanzielle Nachteile des anderen ersetzt. Die Höhe des Schadensersatzanspruchs hat das OLG entsprechend der herrschenden Rechtsprechung nach dem Verhältnis der Steuerbeträge im Fall einer fiktiven Einzelveranlagung berechnet.
Soweit früher bei rechtskräftiger Veranlagung eines Ehegatten eine Rückkehr zur Zusammenveranlagung nicht mehr möglich war, so besteht das Wahlrecht der Ehegatten zwischen Zusammenveranlagung und Einzelveranlagung noch solange, solange einer der Ehegatten noch keinen Steuerbescheid erhalten hat. Da es seit VZ 2013 auch die unanfechtbare Einzelveranlagung gibt (§ 25 Abs. 3 EStG), ist immer zu prüfen, ob ein rechtskräftiger Einzelveranlagungsbescheid vorliegt (dann keine Zusammenveranlagung mehr möglich, sondern nur noch Schadensersatz), oder ein auf Einzelveranlagung von Ehegatten beruhender Bescheid ergangen ist (§ 26 a EStG), dann auch noch die Zusammenveranlagung möglich. Das sind jedoch steuerliche „Spitzfindigkeiten“. Entscheidend ist, dass es eine Verpflichtung des anderen Ehegatten auf Verlangen eines Ehegatten weiterhin gibt, dass man der Zusammenveranlagung zustimmt. Macht das der andere nicht, dann können auch Schadensersatzansprüche entstehen.
Steuerrecht
OLG Hamburg, Beschluss vom 15.03.2019 – Az. 12 WF 40/19 – §§ 1353 BGB; §§ 26, 26 b EStG
NZFam 2019, Seite 601
- Die Verpflichtung zur Erklärung der Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung aus § 1353 BGB gilt auch über den Zeitpunkt der Ehescheidung hinaus.
- Das Risiko eines tatsächlichen Ausfalls einer Freihalteverpflichtung kann im Hinblick auf die aus § 1353 I BGB nachwirkende Verpflichtung zum ehelichen Beistand ohne Leistung einer Sicherheit zumutbar sein.
Auch im hiesigen Fall streiten die Beteiligten um die Verpflichtung zur Zusammenveranlagung. Auch hier erklärt das Oberlandesgericht, dass jeder Ehegatte einen Anspruch darauf hat, dass der andere zur gemeinsamen Einkommensteuerveranlagung zustimmt, wenn er erklärt, den anderen von jeglichen wirtschaftlichen Nachteilen aus der gemeinsamen Veranlagung freizustellen. Dies ergibt sich aus § 1353 Abs. 1 BGB. Dies gilt auch dann, wenn der andere Ehegatte einen unanfechtbaren getrennt veranlagten Einkommensteuerbescheid hat. Das OLG sieht jedoch keine Verpflichtung, dass derjenige Ehegatte, der die Zustimmung zur Zusammenveranlagung begehrt, für etwaige finanzielle Nachteile im Vorfeld eine Sicherheit zu erbringen habe. Nur wenn in der Vergangenheit es hinsichtlich des Ausgleichs eines Steuernachteils zu Schwierigkeiten gekommen ist, könnte eine solche Sicherheit geboten sein. Im Übrigen besteht die Möglichkeit, bei der Zusammenveranlagung Antrag auf Aufteilung der Steuerschuld nach §§ 268, 269 AO zu stellen, sodass das Risiko für den Ehegatten, der zur Zustimmung verpflichtet ist, als gering zu bezeichnen ist, seinen finanziellen Ausgleich nicht zu erhalten.
Hinweis:
Der Anspruch auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung besteht immer, auch wenn einer der Ehegatten bereits bestandskräftig die Einzelveranlagung nach § 26 a EStG durchgeführt hat, der andere Ehegatte aber noch nicht bestandskräftig veranlagt ist. Der Anspruch besteht für alle Zeiträume, in denen nach der Gesetzeslage eine Zusammenveranlagung gestattet ist, unabhängig davon, ob die Ehe bereits geschieden ist oder nicht. Für Zeiträume, in denen keine Zusammenveranlagung mehr möglich ist und Ehegattenunterhalt geleistet wurde, besteht die Möglichkeit des Absetzens der Unterhaltszahlungen (sogenanntes Realsplitting). Hier gelten die gleichen Regeln, wonach der andere Ehegatte zur diesem steuerlichen Realsplitting zustimmen muss, wenn der andere ihn von finanziellen Nachteilen freistellt. Selbiges gilt wie gesagt auch bei der Zustimmungsverpflichtung zur Zusammenveranlagung.
Weiterhin ist in diesen Fallkonstellationen zu empfehlen, den anderen Ehegatten aufzufordern, darzulegen, welche finanziellen Nachteile er erleiden könne, um abzuschätzen, ob die Zusammenveranlagung/Realsplitting letztendlich tatsächlich sich finanziell vorteilhaft darstellt oder nicht. Sollte z. B. dem anderen Ehegatten bereits ein Einkommensteuerbescheid vorliegen, besteht die Verpflichtung, diesen vorzulegen. Zur Gemeinsamen Veranlagung und zum Realsplitting wird vertiefend verwiesen auf die Merkblätter Nr. 52 und 55 des Verbandes ISUV/VDU.
Kindesunterhalt
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.03.2019 – Az. 3 WF 140/18 – §§ 1606 III 2, 1610 II BGB
NZFam 2019, Seite 586
Der Anspruch des Kindes auf Ausbildungsunterhalt im Anschluss an die Beendigung der Schulausbildung für die Zeit der Ableistung eines freiwilligen sozialen (oder ökologischen) Jahres ist nicht mehr davon abhängig, dass dieses zwingende Voraussetzung für die geplante Ausbildung oder das angestrebte Studium ist.
Es ist immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen, ob nach einer Schulausbildung ein freiwilliges soziales Jahr unterhaltsrechtlich zu unterstützen ist. Zumeist erhält das Kind bei Ableistung des freiwilligen sozialen Jahres sogenannte „Ausbildungsgelder“ bezahlt. Hier stellt sich die Frage, inwieweit dies auf den Unterhalt anzurechnen ist.
Das OLG hat entschieden, dass Ausbildungsunterhalt grundsätzlich auch für den Zeitraum eines freiwilligen sozialen Jahres geschuldet ist, selbst wenn die Inhalte nicht zwingend für die Erlangung einer späteren Ausbildung notwendig sind bzw. nicht auf eine spätere Ausbildung aufbauen. Das Jugendfreiwilligendienstgesetz will den Jugendlichen eine Orientierung geben und es ist nicht davon abhängig, dass ein solches Jahr zwingend Voraussetzung für die geplante Ausbildung ist. Das freiwillige soziale Jahr zielt darauf ab, dass die Freiwilligen neben beruflicher Orientierung und Arbeitserfahrung wichtige personale und soziale Kompetenzen erwerben. Daher ist ein freiwilliges soziales Jahr immer und für jede spätere Ausbildung zielführend. Das Ausbildungsgeld, welches gezahlt wird, ist – wie jeder Verdienst – um 100 € berufsbedingte Aufwendungen zu kürzen und dann auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen.
Andere Gerichte sehen dies anders, danach wird ein solches freiwilliges soziales Jahr nur dann unterhaltsrechtlich zu unterstützen sein, wenn die Ausbildungsinhalte mit der späteren Ausbildung übereinstimmen bzw. sogar zwingende Voraussetzung für die angestrebte Ausbildung sind. In diesem Fällen wird argumentiert, dass dem Kind auch im Ausbildungsberuf eine ausreichende Orientierungsphase zugestanden wird, indem z. B. innerhalb des ersten Ausbildungsjahres oder in den ersten zwei Studiensemestern ebenso ein Ausbildungswechsel möglich ist, ohne dass dies unterhaltsschädlich wäre. Bislang ist bedauerlicherweise bei den Oberlandesgerichten keine einheitliche Rechtsprechung zu erblicken, die Tendenz geht jedoch dahin, dass das freiwillige soziale Jahr entsprechend der Entscheidung des OLG Düsseldorf unterhaltsrechtlich behandelt wird.
Kosten eines Schülerhorts kein Mehrbedarf
AG Pforzheim, Beschluss vom 22.02.2019 – Az. 3 F 160/18 – § 1610 II BGB
FF 2019, Seite 255
Mangels näherer Angaben im Einzelfall stellen die Kosten für den Besuch eines Schülerhorts mit Mittagessen und Hausaufgabenbetreuung keinen Mehrbedarf des Kindes dar. Sie können nur als berufsbedingte Aufwendungen des betreuenden Elternteils berücksichtigt werden.
Die Eltern sind beide berufstätig, auch die Mutter bei der die Kinder leben. Seit der Einschulung sind die Kinder m Kinderhort, die Mutter begehrt vom Vater Mehrbedarf in Höhe von 50 % der Hortkosten (abzüglich Verpflegungsanteil). Die Mutter stützt sich hier auf die Entscheidung des BGH vom 11.01.2017 (BGH, Az. XII ZB 565/15), wonach ausdrücklich anerkannt worden sei, dass Kindergarten- und Hortkosten als Mehrbedarf der Kinder gelten, es handele sich um den konkreten Hort um eine pädagogisch fördernde Einrichtung. Der Vater hingegen vertritt die Auffassung, dass die Hortkosten kein Mehrbedarf der Kinder sind. Die Betreuung der Kinder im Hort erfolgt ausschließlich aufgrund der Berufstätigkeit der Mutter, die grundsätzlich zur Leistung des Betreuungsunterhalts bzw. zur Betreuung verpflichtet sei. Somit stellen die Hortkosten allenfalls berufsbedingte Aufwendungen dar, jedoch keinen Mehrbedarf des Kindes. Im Hort ist ein besonderer pädagogischer Betreuungsanteil nicht ersichtlich. Der Hort macht nichts anderes als das, was ansich die Betreuungsperson schuldet, deshalb allenfalls berufsbedingte Aufwendungen (BGH, Beschluss vom 04.10.2017, Az. XII ZB 55/17).
Das Amtsgericht sieht es wie der Vater. Es handelt sich ausschließlich um berufsbedingte Aufwendungen und nicht um einen Mehrbedarf des Kindes. Das Amtsgericht führt aus, dass der BGH letztendlich in den hier zitierten Entscheidungen nicht über die Einordnung konkreter Hortkosten entscheiden musste. Nur in Ausnahmefällen handelt es sich um einen Mehrbedarf des Kindes, wenn von der Fremdbetreuung mehr geleistet wird als was vom betreuenden Elternteil im Rahmen der persönlichen Betreuung geschuldet wäre. Da ein Kindergarten in erster Linie erzieherischen Zwecken dient, ist es gerechtfertigt zwischen Kindergartenkosten und Hortkosten zu unterscheiden. Es mag zwar richtig sein, dass der BGH in seiner Entscheidung XII ZB 565/15 mitgeteilt hat, dass die für den Kindergarten aufgestellten Grundsätze auch für Hortkosten gelten sollen. Der BGH hatte aber nicht über Hortkosten zu entscheiden, sodass diese Ausführungen des BGH nicht maßgeblich sind und nur wenn besondere pädagogische Bedürfnisse im konkreten Einzelfall beim Kind bestehen oder bei dem betreuenden Elternteil Einschränkungen der Erziehungsfähigkeit vorliegen, könnte darüber nachgedacht werden, ob es sich um Mehrbedarf handelt. Eine pauschale und generelle Einordnung der Hortkosten als Mehrbedarf des Kindes ist daher nicht geboten – im Gegenteil, der Hort dient hauptsächlich der Ermöglichung der Berufstätigkeit und stellt letztendlich Fremdbetreuung dar. Es sind daher berufsbedingte Aufwendungen der Kindsmutter.
Diese Entscheidung erscheint zwar im Kontext mit der zitierten BGH-Entscheidung überraschend, ist jedoch letztendlich richtig. Das Gericht hat ermittelt, dass die Hortunterbringung wegen der Berufstätigkeit der Mutter erfolgt, zudem hat die Kindsmutter nichts vorgetragen, ob ein pädagogischer Betreuungsanteil in der Einrichtung vorhanden sei. Ein Kinderhort ist daher grundsätzlich zu behandeln wie eine Tagesmutter (BGH, FF 2018, Seite 26, Babysitter, Au-pair, Mittagsbetreuung, so auch für Hort bereits AG Karlsruhe, Beschluss vom 02.01.2019, Az. 1 F 1726/18, nicht veröffentlicht).
Diese Unterscheidung zwischen Mehrbedarf des Kindes und berufsbedingtem Aufwand des Elternteils ist hauptsächlich dann von Bedeutung, wenn kein Ehegattenunterhalt geschuldet ist. Denn dann kann der betreuende Elternteil die Kosten nirgends unterhaltsrechtlich „unterbringen“. Wenn Ehegattenunterhalt geschuldet wird und die Hortkosten vom Einkommen abgezogen werden, beteiligt sich durch den Halbteilungsgrundsatz letztendlich der andere Elternteil zur Hälfte an den Hortkosten. Wenn jedoch kein Ehegattenunterhalt geschuldet ist, können dann auch die Hortkosten nicht als Mehrbedarf des Kindes geltend gemacht werden und der ansich betreuende Elternteil muss die Hortkosten aus eigener Tasche bezahlen.
Wechselmodell
OLG Brandenburg, Beschluss vom 31.05.2019 – Az. 13 UF 170/18 – §§ 1671, 1684 II, 1684 III, 1696 I 1 BGB
NZFam 2019, Seite 546
- Das Betreuungsmodell darf weder zur Regel noch zur gleichgewichtigen Variante hoheitlicher Anordnungen werden.
- Die Anordnung des Wechselmodells setzt eine positive Feststellung über das Vorliegen der vom Bundesgerichtshof formulierten Anforderungen voraus.
- Die Hürde zur Anordnung des Wechselmodells ist beträchtlich höher als diejenige für eine andere Umgangsregelung. Wird Umgang bei überwiegender Betreuung des Kindes in einem Elternhaushalt gewährt, so ist das darauf gerichtete Grundbedürfnis und Recht des Kindes bereits erfüllt. Die Anordnung des Wechselmodells hängt von darüber hinausgehenden Anforderungen ab.
- Die Prognose, das Verhalten der Eltern oder eines Elternteils könnte sich bessern, nachdem das Wechselmodell angeordnet worden ist, ist zu unsicher. Die Anordnung des Wechselmodells ist grundsätzlich ungeeignet, die im Konflikt befangenen Eltern dadurch zu einem harmonischen Zusammenwirken in der Betreuung und Erziehung des Kindes zu veranlassen.
Die Entscheidung des OLG Brandenburg ist eine von vielen zur Gesamtthematik des Wechselmodells. Entsprechend des BGH (BGH, NJW 2017, Seite 1815) ist die Anordnung eines Wechselmodells im Rahmen einer Umgangsreglung möglich. Zur Wahrung des Kindeswohls ist jedoch eine Kommunikationsfähigkeit der Eltern zur Bewältigung des Kooperationsbedarfs notwendig und muss letztendlich positiv festgestellt werden. Ein Wechselmodel darf auch nicht angeordnet werden um „auszuprobieren“, ob das Wechselmodell geeigneter ist oder nicht. Da Fragestellungen von Verschulden in Bezug auf die Kommunikationsbereitschaft der Eltern dem Umgangsrecht wesensfremd sind, muss die Praxis es hinnehmen, dass allein das objektive Vorliegen einer fehlenden Kommunikations- und/oder Kooperationsfähigkeit ausreicht, um einem Wechselmodell entgegenzustehen.
Auch das OLG Bamberg (NZFam 2019, Seite 574, Beschluss vom 01.03.2019, Az. 7 UF 226/18) führt in seiner Entscheidung aus, dass ein Wechselmodell im Rahmen der Umgangsrechts regelbar ist, jedoch die gleichen Kriterien wie für die Übertragung eines gemeinsamen Sorgerechts maßgeblich sind – nämlich Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit. Das OLG Bamberg weist ausdrücklich darauf hin, dass das Gesetz keine bestimmte Betreuungsform kennt, der Einzelfall ist maßgeblich (BGH, FamRZ 2017, Seite 532, OLG Frankfurt, FamRZ 2019, Seite 206). Die Erziehungseignung der Eltern, die Beziehung der Kinder zu den Eltern, die Bindungstoleranz, das Förderprinzip, der Grundsatz der Kontinuität sowie der Wille der Kinder sind maßgeblich. Ein Wechselmodell stellt an Eltern und Kinder höhere Anforderungen, sodass bei hoher elterlicher Konfliktbelastung ein Wechselmodell üblicherweise nicht in Betracht kommt.
Das Kammergericht Berlin (Beschluss vom 15.04.2019, Az. 13 UF 89/16, NZFam 2019, Seite 496) grenzt das paritätische Wechselmodell vom erweiterten Umgang ab und führt zu Kosten des Umgangs aus. Hier ist darauf hinzuweisen, dass es beim Wechselmodell die vom BGH entwickelte Unterhaltsberechnung unter Berücksichtigung der wechselmodellbedingten Mehrkosten gibt und daher „Umgangskosten“ ansich keine Rolle spielen.
Das Wechselmodell ist auch Gegenstand sozialgerichtlicher Entscheidungen, wenn es um die Frage geht, ob ein oder beide Elternteile im Wechselmodell entsprechende Aufwendungen für Unterkunft, Heizung etc. komplett erhalten oder nur anteilig. Hier kommt es dann auch darauf an, ob nur ein Elternteil im Sinne der sozialrechtlichen Rechtsprechung „alleinerziehend“ ist oder beide Elternteile (Anspruch auf anteiligen Mehrbedarf bei Alleinerziehung). Grundsatz: Hält sich ein Kind getrennt wohnender Elternteile überwiegend bei einem Elternteil auf, begründen umgangsbedingte höhere Wohnkosten keinen zusätzlichen Bedarf des Kindes (BSG vom 17.02.2016, Az. B 4 AS 2/15 R). Wenn sich jedoch eine Hauptverantwortung nur eines Elternteils für ein Kind nicht feststellen lässt, hat das Kind einen grundsicherungsrechtlich anzuerkennenden Wohnbedarf in den Wohnungen beider Eltern (BSG, Az. B 14 AS 23/18 R).
Das Wechselmodell wird auch in Zukunft im Familienrecht eine große Rolle spielen, die Euphorie, die der BGH mit seiner Entscheidung NJW 2017, Seite 1815 hervorgerufen hat, wird durch die Instanzgerichte „eingedämmt“, da ein Wechselmodell gegen den Willen eines Elternteiles bei fehlender Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit – egal von wem ggf. provoziert – nach Auffassung der Instanzgerichte dem Kindeswohl nicht dient und somit auf die Fälle beschränkt bleiben wird, bei denen die Eltern ohnehin „miteinander können“.