Durch die Corona-Krise wird es wirtschaftliche Schieflagen geben, insbesondere die durch Einkommensverluste, sowohl auf Seiten des Unterhaltsberechtigten, als auch auf Seiten des Unterhaltsverpflichteten, eintreten können und werden. Einkommensverluste wirken sich in erster Linie auf die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsverpflichteten aus. Da Dauer und Ausmaß der negativen wirtschaftlichen Folgen derzeit auch von Wirtschaftsexperten nicht beurteilt werden kann, fällt es unheimlich schwer, hier „Prognosen“ aufzustellen.
Kurzarbeitergeld:
Bei Kurzarbeitergeld verringert sich das Einkommen ggf. bis zu 40 %. Das ist einzelfallabhängig. Tritt aufgrund einer Kündigung Arbeitslosengeld an die Stelle des bisherigen Verdienstes, gilt selbiges.
Bei Bezug von Kurzarbeitergeld wird man eine Bewerbungsobliegenheit/Erwerbs-obliegenheit für einen anderen Job kaum erblicken können. Bei Kurzarbeitergeld besteht grundsätzlich ein gesicherter Arbeitsplatz, dessen Aufgabe den Verlust eines bestehenden Kündigungsschutzes zur Folge hätte. Für die Dauer des Bezugs des Kurzarbeitergeldes wird dies dem Unterhaltspflichtigen nicht zuzumuten sein. Zudem wird eine zusätzliche Beschäftigungschance kaum bestehen. Auch wenn man über zusätzliche Arbeitsplätze im Versandhandel, als Erntehelfer etc. nachdenken kann, wird zunächst bei Bezug des Kurzarbeitergeldes wohl eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit/Bewerbungsobliegenheit nicht besehen. Das größte Problem ist jedoch, die zukünftige Einkommenssituation beurteilen zu können, um auf dieser Basis entweder bestehende Titel abändern zu lassen oder den Unterhalt „richtig“ zu berechnen. Hier stellt sich die Frage, auf welcher gesicherten „Grundlage“ ein künftiger Unterhalt zu bestimmen ist. Bislang hat sich die Rechtsprechung immer auf einen Jahreszeitraum verlassen und einen Durchschnittsverdienst herangezogen. Dies wird bei derartigen einschneidenden Situationen, wie jetzt, kaum möglich sein. Auch hat die Rechtsprechung immer darauf verwiesen, dass eine Einkommensveränderung „nachhaltig“ sein muss, so dass man auch bei Arbeitslosigkeit zunächst die ersten 3 Monate hat überwinden müssen. Ob dies bei Kurzarbeitergeld/Kündigung in der Corona-Krise genauso sein wird, bleibt abzuwarten.
Entscheidend ist natürlich auch, ob ein Unterhaltstitel besteht oder nicht. Besteht ein solcher, bleibt letztendlich nur die Möglichkeit, durch Abänderungsantrag nach §§ 238, 239 FamFG bei Einkommensminderung einen solchen Antrag bei Gericht zu stellen, ggf. als einstweilige Anordnung und ggf. flankiert mit dem Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung (einstweiliger Anordnungsantrag).
Diesseits wird die Rechtsauffassung vertreten, dass eine sogenannte wesentliche Änderung im Sinne der §§ 233 ff FamFG bereits dann vorliegt, wenn eben durch eine unternehmerische oder staatliche Entscheidung/Maßnahme feststeht, dass in der näheren Zukunft ein geringeres Einkommen besteht. Dann besteht nach diesseitiger Rechtsauffassung unverzüglich der Anspruch auf Abänderung. Ob dann in diesen Zeiten auch Vermögensrücklagen, wie in der bisherigen Rechtsprechung zunächst heranzuziehen sind, erscheint im Hinblick auf zusätzliche Altersvorsorge etc. fraglich.
Jeder der seine Einkommenssituation durch etwaige staatliche Hilfen verbessern kann, ist natürlich gehalten, diese in Anspruch zu nehmen. Ob man verpflichtet werden kann, z. B. Mietzahlungen zunächst zurückzustellen etc., erscheint problematisch.
Auch diese Fragen sind einzelfallabhängig zu beurteilen und werden letztendlich dann erst nach hoffentlich bald überstandener Corona-Krise durch Gericht möglicherweise zu entscheiden sein. Letztendlich entscheidet ohnehin die „normative Kraft des Faktischen“, das heißt, wenn die Mittel zur Bezahlung von Unterhalt nicht mehr ausreichend zur Verfügung stehen, wird auch der Unterhaltsberechtigte kaum Chancen haben, im Wege einer Vollstreckung den Unterhalt zu realisieren und wird auf staatliche Hilfen ggf. angewiesen sein (Stichwort: Unterhaltsvorschuss für Kinder).
In dieser kurzen Zusammenfassung kann natürlich nicht das gesamte Unterhaltsrecht abschließend abgedeckt werden, trotzdem sei darauf hingewiesen, dass, wenn einvernehmliche Lösungen nicht möglich sind, dann Abänderungschancen genutzt werden sollten, anderenfalls steht ein nicht abgeänderter Unterhaltstitel auch Jahre später noch in der Vollstreckung.
Rechtsanwalt Simon-Peter Heinzel
Fachanwalt für Familienrecht