BVerfG, Beschluss vom 09.11.2020 – Az. 1 BvR 697/20 – Art. 2 Abs. 1, 6 Abs. 2 GG, §§ 1603, 1609 BGB
NZFam 2021, Seite 74
Die Auferlegung unverhältnismäßiger Unterhaltspflichten verletzt die Handlungsfreiheit der Betroffenen.
Das BVerfG hatte über eine Fall zu entscheiden, in dem die Unterhaltsschuldnerin (in dem Fall die Mutter eines minderjährigen Kindes) Einkünfte aus einer Teilzeitbeschäftigung (20 Stunden) erzielte sowie ergänzende Sozialhilfeleistungen. Zur Erfüllung ihrer gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber dem minderjährigen Kind wurden ihr vom OLG fiktive Einkünfte aus einer Tätigkeit von 48 Stunden in ihrem erlernten, aber seit langem nicht ausgeübten Beruf einer Floristin zugerechnet. Dies führte zur Verurteilung zur Bezahlung des Mindestunterhaltes.
Das BVerfG hält weiterhin die Zurechnung fiktiver Einkünfte als verfassungsrechtlich unbedenklich (so schon BVerfG, FamRZ 2012, Seite 1283 u. a.). Dies ergibt sich auch aus Art. 6 Abs. 2 GG, der niedergelegten Pflicht zur Pflege und Erziehung der Eltern ihrer Kinder (dies ergibt sich ebenso aus § 1603 BGB). Sollte jedoch vom Unterhaltsschuldner subjektiv oder objektiv Unmögliches verlangt werden, würde das gegen Art. 2 Abs. 1 GG verstoßen. Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners muss gegeben sein, um das bei fiktiver Zurechnung von Einkünften beurteilen zu können, sind die Entscheidungsgrundlagen in einem Urteil/Beschluss offenzulegen. Das sieht das BVerfG in der zugrundeliegenden OLG-Entscheidung als verletzt an.
Die Zurechnung fiktiver Einkünfte setzt voraus, dass subjektive Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners fehlen. Danach muss ein arbeitsloser Unterhaltsschuldner sich intensiv um Arbeit bemühen. Dazu reicht nicht die Stellensuche beim Jobcenter, sondern auch Eigeninitiative ist notwendig (über Vermittlungsagenturen etc.). Notfalls muss eine Tätigkeit angenommen werden, die außerhalb des erlernten Berufs ist, bis hin zu Aushilfs- und Gelegenheitsarbeiten. Fiktive Einkünfte sind jedoch nur dann zuzurechnen, wenn solche Einkünfte objektiv erzielbar sind. Um die reale Beschäftigungschance zu beurteilen, sind die persönlichen Umstände des Schuldners zu berücksichtigen, das sind Alter, berufliche Qualifikation, Gesundheitszustand sowie objektiv das Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen. Beweispflichtig ist der Unterhaltsschuldner (BGH, FamRZ 2017, Seite 109).
Legt der Unterhaltsschuldner dies alles dar, haben die Gerichte im Einzelnen darzulegen, welches unterhaltsrechtliche Einkommen der Unterhaltsschuldner erzielen muss/kann, um den Unterhalt aufbringen zu können. Dazu muss das Gericht feststellen, welches Brutto-/Nettoeinkommen hierfür notwendig wäre. Am Ende dieser Berechnungen hat ein konkreter Einkommensbetrag zu stehen, der dann zur weiteren Prüfung führt, ob dann dieses Einkommen nach den persönlichen Voraussetzungen des Schuldners und den objektiven Gegebenheiten am Arbeitsmarkt erzielbar ist. Hier reichen bloße Behauptungen zum Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen nicht aus. Die Gerichte müssen Erkundigungen bei den Jobcentern einholen und die in der Region erzielbaren Einkommen über das Internet ermitteln. Eine unzureichende Arbeitssuche ist nur bei festgestelltem Fehlen einer realen Beschäftigungschance aufgrund schlechter Arbeitsmarktlage (z. B. wegen COVID-19-Pandemie) oder subjektiver Hemmnisse (z. B. fehlende Qualifikation, Krankheit etc.) unschädlich, im Normalfall ist eine ausreichende Arbeitssuche vom Unterhaltsschuldner darzulegen. Das BVerfG moniert im vorliegenden Fall, dass das OLG die Aussage, die Unterhaltsschuldnerin könne 48 Stunden pro Woche als Floristin arbeiten, unreflektiert in der Entscheidung niedergelegt hat ohne dies ausreichend begründet zu haben.
Die Instanzgerichte neigen dazu, sehr schnell fiktive Einkünfte anzunehmen, dem schiebt das BVerfG einen Riegel vor und verlangt eine intensive Begründung. Richtschnur kann dabei sein der gesetzliche Mindestlohn, aber auch der ist aufgrund subjektiver Umstände (Krankheit etc.) zu hinterfragen.
Weil das OLG keine tragfähigen Feststellungen hierzu beinhaltet, ist es nicht ausgeschlossen, dass bei einer gebotenen umfassenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalles eine Festlegung von Kindesunterhalt zumindest in der beschlossenen Höhe nicht geboten gewesen wäre. Da das BVerfG einen Eingriff in das Grundrecht sieht, wenn unverhältnismäßige Unterhaltspflichten auferlegt werden, haben zukünftig die Gerichte sehr detailliert ihre Entscheidung hinsichtlich der Zurechnung fiktiver Einkünfte zu begründen. Ob dadurch die Zurechnung fiktiver Einkünfte zukünftig „weniger“ werden, bleibt zu bezweifeln, da in jedem Einzelfall letztendlich der Begründungsnotwendigkeit des BVerfG Rechnung getragen werden kann und auch wird, eben mit einem etwas höheren Begründungsaufwand der Gerichte verbunden.
BGH, Beschluss vom 16.09.2020 – Az. XII ZB 499/19 – §§ 1605, 1606 Abs. 3, 1610 BGB
FamRZ 2021, Seite 28
- Ein Auskunftsanspruch des Kindes gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil entfällt nicht allein aufgrund der Erklärung des Unterhaltspflichtigen, er sei „unbegrenzt leistungsfähig“ (im Anschluss an Senatsbeschluss BGH, FamRZ 2018, 260).
- Eine begrenzte Fortschreibung der in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Bedarfsbeträge bis zur Höhe des Doppelten des höchsten darin (zur Zeit) ausgewiesenen Einkommensbetrags ist nicht ausgeschlossen (Fortführung von BGH FamRZ 2018, Seite 260 und BGH FamRZ 2020, Seite 21; teilweise Aufgabe BGH FamRZ 2000, Seite 358 und FamRZ 2001, Seite 1603).
- Übersteigt das Einkommen des Unterhaltspflichtigen diesen Betrag, bleibt eine Einkommensauskunft bei Geltendmachung eines neben dem Tabellenbedarf bestehenden Mehrbedarfs erforderlich, um die jeweilige Haftungsquote der Eltern bestimmen zu können.
Auf diese Entscheidung ist in der Düsseldorfer Tabelle ab 01.01.2021 ausdrücklich nach der 10. Einkommensgruppe, somit für Einkünfte des Unterhaltsverpflichteten ab 5.501 €, hingewiesen.
Bislang gingen die Rechtsprechung und der BGH davon aus, dass bei Einkünften oberhalb der 10. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle ein höherer Bedarf als der, der sich aus 160 % des Mindestunterhalts errechnet, nur durch eine konkrete Unterhaltsbedarfsdarlegung geltend gemacht werden kann. Bislang wurde in der Düsseldorfer Tabelle auf die „Umstände des Einzelfalles“ verwiesen. Aus diesem Grund war es bislang dem Unterhaltspflichtigen möglich, sich für „unbegrenzt leistungsfähig“ zu erklären und sich zu verpflichten 160 % des Mindestunterhaltes zu bezahlen. Da das unterhaltsberechtigte Kind höheren Unterhalt nur durch eine konkrete Bedarfsdarlegung verlangen konnte, bestand auch grundsätzlich in diesen Fällen keine Auskunftsverpflichtung. Im zugrundeliegenden Fall war der Sachverhalt exakt dieser. Die minderjährige Tochter, vertreten durch die Mutter, verlangte Auskunft vom Vater, obwohl er sich unbegrenzt leistungsfähig erklärt hatte. Nachdem schon das Amtsgericht als auch das OLG die grundsätzliche Auskunftspflicht des Vaters bejaht hatten, hat der BGH diese Entscheidungen bestätigt und wie folgt begründet:
Ein Kind leitet seinen Unterhaltsanspruch von der Lebensstellung und somit auch von dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen ab, ohne dabei einen Anspruch auf Teilhabe am Luxus zu haben. Der Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle ist insoweit kein Maßstab, um dies beurteilen zu können, vielmehr kommt es auf das tatsächliche Einkommen an, es macht eben einen Unterschied, ob der barunterhaltspflichtige Elternteil 6.000 € netto erzielt oder z. B. 20.000 €. Erst bei Kenntnis des tatsächlichen Einkommens kann man Aussagen darüber treffen, ob etwaige Zusatzaufwendungen des Kindes oder höhere Ausgaben des Kindes als diejenigen, die in den Unterhaltsbeträgen prozentual „eingearbeitet“ sind, angemessen sind oder Luxus darstellen. Da das Kind seine Lebensstellung vom Unterhaltspflichtigen ableitet, ist es daher schon von Bedeutung, ob monatliche/jährliche Urlaubsausgaben in einem 3-Sterne-Hotel oder in einem 4/5-Sterne-Hotel als Luxus zu bezeichnen sind oder nicht.
Die Düsseldorfer Tabelle ist insoweit für Nettoeinkommen bis 5.500 € „schematisiert“. Ab 5.501 € erlaubt der BGH nunmehr auch eine angemessene Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle zumindest bis zum Doppelten der obersten Einkommensgruppe der DT (11.000€). Insoweit bezieht sich der BGH auf seine neue Rechtsprechung zum Ehegattenunterhalt wonach auch bis zu diesem Nettoeinkommen eine schematisierte Quotenunterhaltsberechnung nach dem Halbteilungsgrundsatz möglich ist und daher erst darüber hinaus eine konkrete Bedarfsdarlegung verlangt wird (zuletzt BGH, FamRZ 2020, Seite 21). Dies wendet der BGH nunmehr auch auf den Kindesunterhalt an und lässt eine schematisierte/pauschalierte Erhöhung der 160 % des Mindestunterhaltes zumindest bis zu einem Nettoeinkommen von 11.000 € zu – darüber hinaus verbleibt es bei der Verpflichtung zur konkreten Darlegung des Unterhaltes. Der BGH verweist zudem darauf, dass sogar anders als beim Ehegattenunterhalt ein Kind an Karrieresprüngen des Unterhaltspflichtigen teilhat und auch vom Splittingvorteil von einer neuen Ehe profitiert.
Einschränkend weist der BGH darauf hin, dass der Unterhaltsanspruch des Kindes nicht dazu führen kann, dass das Kind am Luxus der Eltern teilnimmt und insbesondere, dass Unterhalt nicht zur Vermögensbildung dient. Trotzdem ist eine sogenannte degressive (stetig abnehmende) Fortschreibung der DT bis 11.000 € möglich, zudem verbleibt natürlich dem Kind die konkrete Darlegung eines höheren Bedarfs.
Aus diesem Grund kann der Unterhaltspflichtige sich seiner Auskunftsverpflichtung nicht dadurch entziehen, dass er sich uneingeschränkt leistungsfähig erklärt, und daher hat der BGH den Vater zur Auskunft verpflichtet. Letztendlich gesteht der BGH mit der Fortschreibung der DT über 5.501 € hinaus dem Kind erhöhte Bedarfspositionen zu, die in der Struktur der DT grundsätzlich enthalten sind (wie z. B. erhöhter Wohnbedarf, erhöhter Urlaubsbedarf, erhöhter Freizeitbedarf). Zusätzlich kann ein Kind einen darüber hinaus gehenden Mehrbedarf/Sonderbedarf, der in der Struktur der DT nicht beinhaltet ist zusätzlich geltend machen.
Die Auskunftsverpflichtung besteht nicht nur deshalb, um etwa bei einem Mehrbedarf/Sonderbedarf eine Quote im Verhältnis zum anderen Elternteil ermitteln zu können, sondern auch und insbesondere um eine mögliche Fortschreibung der DT über die 10. Einkommensgruppe hinaus beurteilen zu können und um festzustellen, ob im Verhältnis zur Lebensstellung des Unterhaltspflichtigen von Luxusansprüchen des Kindes zu sprechen ist oder ob die Höhe des Unterhalts noch als angemessener Bedarf zu werten ist.
Für die Praxis wird das in Zukunft bedeuten, dass bis zu einem Nettoeinkommen von 11.000 € die unterhaltsberechtigten Kinder ihren Unterhaltsanspruch auch über die 160 % des Mindestunterhaltes hinaus beziffern werden, ohne ihren konkreten Bedarf darlegen zu müssen, sondern ausschließlich indem durch degressive Fortschreibung der DT eine Art „erhöhten Tabellenbetrag“ geltend gemacht wird. Wer also mehr als 5.500 € netto erzielt, wird sich darauf einstellen müssen, in Zukunft mehr als die 160 % des Mindestunterhaltes bezahlen zu müssen. Es steht zu erwarten, dass ab dem Jahr 2022 die Düsseldorfer Tabelle bis zu einem Einkommen von 11.000 € fortgeschrieben wird und diese Entscheidung in Tabellenform umgesetzt wird.
OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 11.11.2020 – Az. 3 UF 156/20 – § 1684 BGB; Art. 6 GG
NZFam 2021, Seite 124
Ein getrennt lebender Kindesvater ist auch gegen seinen ausdrücklich erklärten Willen zum Umgang mit den Kindern verpflichtet, wenn der Umgang dem Kindeswohl dient.
Die Eheleute leben getrennt, aus der Ehe sind drei Söhne hervorgegangen, Umgangskontakte finden nur sporadisch statt. Die Mutter hat ein Umgangsverfahren eingeleitet, um die in § 1684 BGB normierte Umgangspflicht durchzusetzen, nachdem sich die Kinder mit dem Vater einen regelmäßigen Umgang wünschten. Der Vater will nur „das Beste“ für seine Kinder, es sei ihm jedoch derzeit nicht möglich, Umgang wahrzunehmen, er sei erneut Vater geworden, stünde unter starkem beruflichen Druck und schlafe täglich maximal 4 Stunden und sei in Therapie. Das Amtsgericht hat Umgang festgelegt an jedem ersten Sonntag im Monat in der Zeit von 9.00 bis 19.00 Uhr, darüber hinaus auch Ferienumgangszeiten. Das Gericht ist insoweit dem Wunsch der Kinder gefolgt, Umgang mit dem Vater zu haben und hat dabei auch die begrenzten zeitlichen Ressourcen des Vaters berücksichtigt. Der Vater hat hiergegen Beschwerde eingelegt und insbesondere darauf verwiesen, dass seine Ablehnungshaltung insbesondere von gesundheitlichen Überlegungen motiviert ist und verweist auf die Gefahr eines Zusammenbruchs aufgrund der psychischen/physischen Gesamtbelastung, die ihm medizinisch attestiert ist.
Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Vaters abgewiesen, und dies damit begründet, dass in § 1684 BGB nicht umsonst eine Umgangspflicht normiert ist, die auf Art. 6 GG zurückzuführen ist. Zwar können danach Eltern grundsätzlich frei darüber entscheiden, wie sie ihrer Elternverantwortung gerecht werden, Richtschnur ist aber immer das Wohl des Kindes. Durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG ist den Eltern die Pflicht auferlegt, ihr Kind zu pflegen und zu erziehen. Die Elternverantwortung ist dem Wohl des Kindes verpflichtet, zumal die Eltern das gemeinsame Sorgerecht haben. Die Verweigerung eines Umgangs stellt eine Vernachlässigung eines wesentlichen Teils der auferlegten Erziehungspflicht dar. Die Umgangspflicht ist geeignet, die Beziehung zwischen dem Kind und dem Elternteil zu fördern. Es ist auch nicht auszuschließen, dass ein zum Umgang verpflichteter Elternteil, selbst wenn er zunächst an einem regelmäßigen Umgang kein Interesse hatte, sich durch die auferlegte Umgangspflicht in seiner Haltung verändert. Das Oberlandesgericht führt hierzu noch weiter aus und kommt zu dem Ergebnis, dass es einem Elternteil zumutbar ist, auch unter Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitssphäre zum Umgang mit seinem Kind verpflichtet zu werden, wenn dies dem Kindeswohl dient.
Dem steht auch nicht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, FamRZ 2008, Seite 845, entgegen, denn im hiesigen Fall dient der Umgang dem Kindeswohl, sodass allein der entgegenstehende Wille des Umgangsverpflichteten nicht ausschlaggebend ist. Das Gericht hat in Anhörungen sowohl der Kinder als auch aus den Stellungnahmen des Verfahrensbeistandes entnommen, dass eine Sehnsucht der Kinder nach dem Vater in erheblichem Maße feststellbar ist. Auch das Jugendamt hat einen Umgang zum Wohle der Kinder mehr als befürwortet. Die eingeschränkte Umgangsverpflichtung, wie sie das Amtsgericht entschieden hat, ist daher nicht abzuändern.
Das Oberlandesgericht macht deutlich, dass das Umgangsrecht letztendlich auch ein grundrechtlich normiertes Recht des Kindes ist. In der Diskussion sind immer wieder die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz, im Rahmen des Schutzes und der Fürsorge ist das Recht auf Umgang bereits im Grundgesetz festgeschrieben. Grundsätzlich muss daher ein Gericht eine Umgangsregelung treffen und kann nur in ganz engen Grenzen hiervon absehen. Problematisch ist, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG (FamRZ 2008, Seite 845) ein umgangsunwilliger Elternteil nicht unter Androhung von Ordnungsmitteln zum Umgang gezwungen werden kann. Dies hat das BVerfG damit begründet, dass das Kindeswohl bei zwangsweisem Umgang gefährdet sein wird, weil nicht davon auszugehen ist, dass der umgangsunwillige Vater den Umgang dann kindeswohlgerecht gestaltet. Ausnahmsweise kann dies jedoch anders sein, wenn im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass auch ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl dienen wird. So lag der Fall hier, denn der Vater hatte ja bekundet, dass er in Sorge um seine Kinder sei und grundsätzlich Umgang pflegen wollte, aber die jetzigen Umstände dies nicht zuließen. Er hatte auch bis zur Trennung mit seinen Kindern zusammengelebt. Anders der Fall des BVerfG, dort ging es um ein nichtehelich geborenes Kind, welches der Vater seit der Geburt abgelehnt hatte, weil er nur so seine Ehe und die aus der Ehe stammenden Kinder schützen könne.
Wie man sieht zwei grundsätzlich unterschiedliche Fälle, die wohl auch anders zu beurteilen sind. Im Fall des BVerfG hatten die Gerichte einen erzwungenen Umgang als nicht kindeswohldienlich eingestuft, im Fall des OLG Frankfurt wird ein erzwungener Umgang als kindeswohldienlich bejaht. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Vater seine Kinder im Rahmen des erzwungenen Umgangs „abstößt“ oder irgendwie schlecht behandelt, was im Fall des BVerfG befürchtet wurde. Diese Einschätzung des OLG Frankfurt erscheint nachvollziehbar, der Vater wird sein „Zeitmanagement“ zwar umstellen müssen, dies scheint jedoch zum Wohle der Kinder möglich und angezeigt. Das OLG hat sich sehr viel Mühe gegeben, hier im Einzelfall eine Umgangsverpflichtung auszusprechen und hat diese Entscheidung nachvollziehbar begründet und ist daher zu begrüßen. Die Entscheidung einem Elternteil eine Umgangspflicht zwangsweise aufzuerlegen bedarf im Einzelfall einer umfangreichen Auseinandersetzung mit der tatsächlichen Sachlage und ist nur im Einzelfall zu beurteilen. Daher soll die Entscheidung des OLG Frankfurt aufzeigen, dass eine Ablehnung einer zwangsweisen Umgangspflicht, wie sie das BVerfG seinerzeit ausgesprochen hatte, nicht auf alle Fälle anzuwenden ist und durchaus Spielraum für die Auferlegung einer Umgangspflicht verbleibt.
Die Entscheidung, auch trotz Verweigerungshaltung eines Elternteiles eine Umgangspflicht festzusetzen, ist begrüßenswert, da nicht einem Elternteil alleine die Last der Kinderbetreuung auferlegt werden soll. Auf der anderen Seite muss dann aber auch das Umgangsrecht beachtet werden und Verweigerungshaltungen des betreuenden Elternteiles im Rahmen des Umgangsrechtes des nicht betreuenden Elternteiles entgegengewirkt werden, indem nur in besonderen Ausnahmefällen eine Umgangseinschränkung möglich ist. Ebenso wie nur in besonderen Ausnahmefällen eine Umgangspflicht ausgeschlossen werden kann. Grundsätzlich sollten beide Elternteile dieselben Rechte und Pflichten haben und der Maßstab für „Ausnahmefälle“ gleichermaßen angewandt werden.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.06.2020 – Az. 9 UF 254/19 – § 1579 Nr. 2 BGB
(NZFam 2020, Seite 881)
- Eine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB kann angenommen werden, wenn objektive, nach außen tretende Umstände wie etwa ein über einen längeren Zeitraum hinweg geführter gemeinsamer Haushalt, das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit, größere gemeinsame Investitionen wie der Erwerb eines gemeinsamen Familienheims oder die Dauer der Verbindung den Schluss auf eine verfestigte Lebensgemeinschaft nahelegen.
- Für die Annahme einer verfestigten Lebensgemeinschaft im Sinne von § 1579 Nr. 2 BGB kommt es darauf an, ob die Partner ihre Lebensgemeinschaft so aufeinander eingestellt haben, dass sie wechselseitig füreinander einstehen, indem sie sich gegenseitig Hilfe und Unterstützung gewähren und damit das Zusammenleben ähnlich gestalten wie Ehegatten.
- Vor Ablauf einer gewissen Mindestdauer wird sich in der Regel nicht verlässlich beurteilen lassen, ob die Partner nur „probeweise“ zusammenleben oder ob sie auf Dauer in einer gefestigten Gemeinschaft leben. Je fester allerdings die Verbindung nach außen in Erscheinung tritt, umso kürzer wird die erforderliche Zeitspanne anzunehmen sein.
- Die Voraussetzungen für die Anwendung von § 1579 Nr. 2 BGB können erst nach einer Dauer der Beziehung von regelmäßig zwei bis drei Jahren angenommen werden. Die Zeitspanne kann kürzer sein, wenn aufgrund besonderer Umstände schon früher auf eine hinreichende Verfestigung geschlossen werden kann, insbesondere bei einer bereits umgesetzten gemeinsamen Lebensplanung, z. B. in Form von gemeinsamen erheblichen Investitionen.
- Bei einer Beziehung, die nicht überwiegend durch ein Zusammenwohnen und auch nicht durch ein gemeinsames Wirtschaften geprägt ist, ist eine verfestigte Beziehung dann erreicht, wenn die Partner seit fünf Jahren in der Öffentlichkeit, bei gemeinsamen Urlauben und der Freizeitgestaltung als Paar auftreten und Feiertage und Familienfeste zusammen mit Familienangehörigen verbringen.
Das Gesetz kennt beim Ehegattenunterhalt Einschränkungsmöglichkeiten bei grober Unbilligkeit. Dies ist in § 1579 BGB normiert. Häufig wir die grobe Unbilligkeit darauf gestützt, dass der Unterhaltsberechtigte in einer verfestigten Lebensgemeinschaft mit einem neuen Partner lebt. Es müssen Umstände vorliegen, die eine fortwirkende Unterhaltsverpflichtung unzumutbar erscheinen lassen. Grundsätzlich kommt es darauf an, ob die neuen Lebenspartner ihre Lebensverhältnisse so aufeinander eingestellt haben, dass sie wechselseitig füreinander einstehen und die neue Lebensgemeinschaft gleichsam an die Stelle einer Ehe getreten ist. Die Rechtsprechung versucht immer wieder Kriterien herauszuarbeiten, ab wann dies der Fall ist. Angenommen wird dies bei einer Dauer von 2 – 3 Jahren, wenn nicht aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalles schon früher auf eine hinreichende Verfestigung geschlossen werden kann. Dies liegt vor, wenn durch erhebliche gemeinsame Investitionen eine gemeinsame Lebensplanung schon umgesetzt ist. Selbiges gilt bei der Geburt eines Kindes aus der neuen Gemeinschaft oder auch der Anmietung einer gemeinsamen Wohnung nach wenig mehr als einem Jahr. Ein räumliches Zusammenleben ist grundsätzlich nicht Voraussetzung, wenn die Partner jedoch in getrennten Wohnungen leben, wird eine Verfestigung nur schwer nachzuweisen sein. Der Unterhaltsberechtigte wird die Lebensbereiche mit dem neuen Partner möglichst getrennt halten und darauf hinweisen, dass im Hinblick auf die Erfahrungen der vorausgegangenen Beziehung die neue bewusst auf Distanz gehalten wird und diese Form der Lebensgestaltung zu respektieren ist, mit der Folge, das Unterhalt weiter geschuldet ist (BGH, FamRZ 2002, Seite 23; BGH, FamRZ 2011, Seite 1498). Auch das Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit kann zur Annahme einer verfestigten Gemeinschaft führen, so das „Auftreten als Paar“ in Gestalt gemeinsamer Urlaube, gemeinsame Familienfeste, aber auch ein gemeinsames Erscheinen in öffentlichen Netzwerken (Stichwort: Facebook). Besonders ausgiebiges Posten bzgl. des „neuen Glücks“ führt sehr leicht zur Unterhaltsverwirkung.
Das OLG Brandenburg hatte den Fall zu entscheiden, bei der die Unterhaltsberechtigte zweimal mit dem neuen Mann im Urlaub war und überwiegend der „Neue“ bei der Unterhaltsberechtigten gewohnt hat (Ergebnis der Beauftragung eines Detektivbüros). Sowohl das Amtsgericht als auch das Oberlandesgericht hat den Unterhaltspflichtigen zur weiteren Zahlung von Unterhalt verpflichtet, da es im Einzelfall noch keine ausreichende Verfestigung der neuen Lebensgemeinschaft feststellen konnte. Wenn die neuen Partner zusammenwohnen, geht die Rechtsprechung von einer Verfestigung wie schon erwähnt erst nach ca. 2/3 Jahren aus, leben sie nicht zusammen und sind trotzdem nach den Kriterien der Rechtsprechung Gemeinsamkeiten vorhanden, die eine Verfestigung begründen, wird diese erst nach ca. 5 Jahren anzunehmen sein. Dies bekräftigt das Oberlandesgericht in den Leitsätzen Nr. 4/5. Zwei gemeinsame Reisen und „gegenseitige Besuche“ reichen grundsätzlich nicht aus, es muss festgestellt werden, dass die neuen Partner füreinander einstehen, sie sich gegenseitige Hilfe und Unterstützung gewähren, auch durch regelmäßige Unterstützungsleistungen bei getrennten Wohnsitzen etc. Bloße wechselseitige Besuche der in verschiedenen Wohnungen lebenden Partner lassen, auch wenn sie sich bei der täglichen Hausarbeit unterstützen, allein noch nicht auf eine Verfestigung schließen (Palandt, 80. Auflage 2021, § 1579 Rdn 11-15 mit weiteren Einzelfallrechtsprechungsnachweisen).
Mit dieser Entscheidung soll aufgezeigt werden, dass der Nachweis einer verfestigten Lebensgemeinschaft als Verwirkungsgrund für Ehegattenunterhalt zumeist schwer zu führen sein wird, und insbesondere bei fehlendem Zusammenleben kaum vor Ablauf von 5 Jahren trotz entsprechendem Auftreten in der Öffentlichkeit hiervon ausgegangen werden kann.
AG Dieburg, Beschluss vom 07.12.2020 – Az. 51 F 308/20 – §§ 1628, 1687 BGB
(NZFam 2021, Seite 174)
Für eine soziale Entwicklung von Kindern ist der Kindergartenbesuch in der Regel förderlich, sodass die Masernimpfung dem Wohl des Kindes in der Regel auch dienlich ist und auch den Impfempfehlungen der ständigen Impfkommission (STIKO) entspricht.
Das AG Dieburg hat in einem Verfahren auf Übertragung der Entscheidungsbefugnis in einer sorgerechtlichen Frage (§ 1628 BGB) darüber zu befinden gehabt, ob ein Kind geimpft wird, insbesondere um auch den Kindergartenbesuch nicht zu gefährden. Der Kindergarten schreibt eine Masernimpfung vor. Der Vater verweigerte seine Zustimmung zu den Impfungen, entgegen der STIKO-Empfehlungen.
Der Vater hat – wie in diesen Fällen üblich – auf Impfgefahren hingewiesen, er hat auch damit argumentiert, dass er arbeitslos sei und er das Kind betreuen könnte und es daher nicht in den Kindergarten müsse. Das Amtsgericht hat sich die Impfempfehlungen der STIKO zu Eigen gemacht und auf die von der STIKO vorgenommene Risikoabwägung hingewiesen. Zudem die Kindswohldienlichkeit eines Kindergartenbesuches bejaht, sogar darauf hingewiesen, dass ein Kindergartenbesuch für die soziale Entwicklung von Kindern förderlich ist.
Diese Entscheidung entspricht der Rechtsprechung des BGH (NZFam 2017, Seite 561), wonach Schutzimpfungen nach den Empfehlungen der STIKO der Vorrang zu geben ist. Es steht zu erwarten, dass diese Rechtsprechung angesichts der anstehenden Corona-Schutzimpfungen auch für Minderjährige zukünftig erheblich an Bedeutung gewinnen wird.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.08.2020 – Az. 9 UF 119/20 – § 1684 BGB
(NZFam 2020, Seite 976)
- Der Ort, an dem der Umgang auch für den Ferien-/Feiertagsumgang stattfinden soll, wird bis zur Grenze der Kindeswohlgefährdung vom Umgangsberechtigten bestimmt, weshalb es seine Aufgabe ist, das bereits zur Umgangszeit zählende Abholen und Zurückverbringen des Kindes zu organisieren und die entsprechenden Kosten zu tragen.
- Organisiert der Umgangsberechtigte einen Abhol-Transport des Kindes und ist dieser wegen des Ausfalls eines Transportmittels nicht möglich, ist dies letztendlich seinem Risikobereich zuzuweisen. Sollte durch den Ausfall des Transportmittels ein Umgang nicht möglich sein, fällt dieser ersatzlos aus, sofern die Eltern nicht einverständlich eine Ersatzregelung vereinbaren.
- Auflagen betreffend FFP2-Masken als Schutzmaßnahmen gegen Corona sind gegenüber dem Antragsteller bzw. den Kindeseltern schlechthin nicht angezeigt. Ein Anspruch auf Einhaltung der Corona-Regeln während der Wahrnehmung von Umgang besteht jedenfalls im Regelfall nicht. Es versteht sich von selbst, dass der Umgangsberechtigte im Rahmen der Ausgestaltung der Umgangskontakte die von der (Landes) Regierung getroffenen Maßnahmen einhalten wird, um sich, seine Kinder und Dritte nicht unnötig der Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus auszusetzen.
Können sich Eltern nicht über die Ausgestaltung des Umgangsrechtes einigen, muss das Familiengericht gemäß § 1684 BGB entscheiden. Daher ist vonnöten, dass über Art und Zeit des Umgangs (Tag, Uhrzeit, Ferien, Geburtstag, Umgangsfrequenz etc.) eine konkrete Regelung getroffen ist. Grundsätzlich gehört hierzu auch, wer das Abholen und das Zurückbringen zu erledigen hat. Gibt es hierzu keine Regelung, gilt der Grundsatz, dass der Umgangsberechtigte diese Fahrten/Weg zu erledigen hat. Selbiges gilt hinsichtlich der Kostentragungspflicht, auch während der Umgangszeiten. Wo der Umgang stattfindet obliegt ausschließlich dem Umgangsberechtigten, es sei denn der Ort wäre kindeswohlgefährdend (z. B. Spielhölle). Nähere Vorgaben kann der jeweils andere nicht verlangen und muss ein Gericht auch nicht in einem Beschluss umsetzen. Selbstverständlichkeiten, wie z. B. das Einhalten von Corona-Regeln, sind nicht zu beschließen und auch nicht geboten. Häufig erwartet der Elternteil, der das Kind hauptsächlich betreut, eine detaillierte Handlungsanweisung an den Umgangsberechtigten, was jedoch, wie oben dargelegt, seine Grenzen hat.
OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.12.2020 – Az. 20 UF 56/20 – §§ 1671 Abs. 1, 126 Abs. 3 Satz 1 BGB
(NZFam 2021, Seite 175)
- Zur Frage, ob und inwieweit die Ermöglichung einer geteilten Betreuung im Sinne eines Wechselmodells auch im Rahmen eines Sorgerechtsstreits (Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts) erfolgen kann (hier: offengelassen).
- Ein Wechselmodell ist auf Seiten des Kindes nur in Betracht zu ziehen, wenn eine auf sicherer Bindung beruhende tragfähige Beziehung zu beiden Elternteilen besteht. Wesentlicher Aspekt ist zudem, vor allem bei Kindern im Jugendalter, der vom Kind geäußerte Wille. Im Verhältnis der Eltern erfordert das Wechselmodell regelmäßig einen erhöhten Abstimmungs- und Kooperationsbedarf, so dass bei bestehender hoher elterlicher Konfliktbelastung ein Wechselmodell in der Regel nicht dem Kindeswohl entspricht (vgl. BGH NZFam 2017, 206).
- Kommt danach ein Wechselmodell nicht (mehr) in Betracht, kann das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht beibehalten werden, weil die Eltern sich über den künftigen Lebensmittelpunkt ihres Sohnes nicht einig sind.
Das Wechselmodell kann von einem Gericht nur dann per Beschluss angeordnet werden, wenn auf Seiten der Eltern Konsens- und Kompromissfähigkeit festgestellt werden kann. Die großen Probleme des Wechselmodells finden sich nicht in der Frage, ob Grundlage einer Wechselmodellanordnung ein umgangsrechtliches oder sorgerechtliches Verfahren sein muss, viel problematischer sind die praktischen Auswirkungen. Warum schafft es der Gesetzgeber nicht, Regelungen zu finden, die gerade im Wechselmodell grundsätzlich zu einer hälftigen Teilhabe führen? Das gilt insbesondere für das Kindergeld, für Pflegegelder behinderter Kinder, für das sogenannte Landespflegegeld oder andere staatliche Leistungen, die nur an einen berechtigten ausgezahlt werden. Warum kann ein Kind nur bei einem Elternteil seinen Erstwohnsitz haben? Wer ist Inhaber des Melderechts gegenüber Meldebehörden? Vielleicht sieht der Gesetzgeber zwar den zunehmenden Wunsch auf ein Wechselmodell, erkennt jedoch auch, dass Konfliktpotential, was dann mit ständigem Wechsel einhergehen könnte. Wechselmodell und alleiniges Sorgerecht schließen sich letztendlich inhaltlich aus. Trotzdem wird es immer wieder zumindest Entscheidungen nach § 1628 BGB geben, wonach auch im Wechselmodell die Alleinentscheidungsbefugnis für spezielle Fragen des Sorgerechts auf ein Elternteil zu übertragen ist. Häufen sich jedoch derart gerichtliche Konflikte, wird das Wechselmodell auf Dauer nicht der richtige Ansatz sein. Einem Familienrichter sind ohnehin insoweit die Hände gebunden, da er bei Feststellung fehlender Kooperationsfähigkeit der Eltern ein Wechselmodell nicht anordnen kann, selbst wenn die Eltern dieses wollen. Das Kindeswohl steht im Mittelpunkt. Wenn die Eltern sich im Wechselmodell schlichtweg nicht einig sind, erscheint das Kindeswohl gefährdet. Ob dann ein Gericht überhaupt eine gerichtliche Vereinbarung der Eltern eines Wechselmodells gerichtlich „billigen“ kann und darf, ist offen. Denn wenn die Eltern sich über die Ausgestaltung von Sorgerechtsfragen nicht einig sind, wird insbesondere im Wechselmodell dann der Streit der Eltern auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Diese stehen praktisch „zwischen den Stühlen“, was ja ohnehin gegeben ist, da sie ständig einem Loyalitätskonflikt ausgesetzt sind. Es ist daher schon zu überlegen, ob das Wechselmodell in allen Fällen der richtige Weg ist.