BGH Rechtsprechung

Unterhaltsrecht

BGH, Beschluss vom 15.12.2021 – Az. XII ZB 557/20 – §§ 1361, 1573, 1578 BGB

FamRZ 2022, Seite 434 ff.; NZFam 2022, Seite 208 ff.

  1. Steuerliche Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden berühren das unterhaltsrechtlich maßgebende Einkommen nicht (Bestätigung des Senatsurteils vom 1. Dezember 2004 – XII ZR 75/02 – FamRZ 2005, 1159).
  2. Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die mittels kreditfinanzierter Immobilien erzielt werden, ist bis zur erzielten Miete nicht nur die – die Einkünfte bereits steuerrechtlich vermindernde – Zins-, sondern auch die Tilgungsleistung unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen (Fortführung von Senatsbeschlüssen BGHZ 213, 288 = FamRZ 2017, 519 und vom 4. Juli 2018 – XII ZB 448/17 – FamRZ 2018, 1506).
  3. Selbständige können in der Summe 24 % ihres Bruttoeinkommens des jeweiligen Jahres für die Altersvorsorge aufwenden und damit – soweit eine solche Vorsorge tatsächlich betrieben wird – von ihrem unterhaltsrelevanten Einkommen absetzen (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, – 2 – 1739). Im Rahmen der Ermittlung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigte Tilgungsleistungen sind auf diese Altersvorsorgequote nicht anzurechnen (Fortführung von Senatsbeschluss BGHZ 213, 288 = FamRZ 2017, 519).
  4. Werden die mit der Berufsausübung verbundenen höheren Aufwendungen bereits pauschal oder konkret bei der Einkommensermittlung berücksichtigt, bedarf es im Einzelnen einer Begründung des Tatgerichts, wenn es mehr als ein Zehntel des Erwerbseinkommens der Bedarfsbemessung entzieht.

Diese Entscheidung setzt konsequent die jüngste Rechtsprechung des BGH zur Berücksichtigung von Zins- und Tilgungsleistungen im Rahmen der Einkommensberechnung im Unterhaltsrecht fort. Daneben werden weitere grundlegende Ausführungen zum Unterhaltsrecht getätigt und festgeschrieben.

  1. Steuerliche Abschreibung für Abnutzung von Gebäuden (Leitsatz 1)

Der BGH stellt nochmals ausführlich fest, dass Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden das unterhaltsrechtlich maßgebende Einkommen nicht berühren, weil diesen Abschreibungen lediglich ein Verschleiß von Gegenständen des Vermögens zugrunde liegt und die steuerlichen Pauschalen vielfach über das tatsächliche Ausmaß der Wertminderung hinausgehen. Zudem ist entscheidend, dass der steuerlich bedachte Verschleiß durch eine günstige Entwicklung des Immobilienmarktes ausgeglichen wird und der Wertverlust eines Gebäudes – soweit er denn überhaupt eintritt – sich regelmäßig über einen so langen Zeitraum erstreckt, dass er gegenüber der Unterhaltspflicht vernachlässigt werden kann (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Auflage, § 1 Rn. 457).

  • Zins- und Tilgungsleistungen für kreditfinanzierte Immobilien (Leitsatz 2)

Zins- und Tilgungsleistungen bei unterhaltsrechtlicher Berücksichtigung eines Wohnwertes

Der BGH hat bereits im Jahr 2017 im Rahmen des Elternunterhalts entschieden, dass dem grundsätzlich einkommenserhöhenden Wohnvorteil nicht nur die Zinsleistung gegenzurechnen ist, sondern auch die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnwerts (BGH, FamRZ 2017, Seite 519). Zur Begründung hat der BGH richtigerweise ausgeführt, dass es sich bei den Tilgungsleistungen nicht um eine Vermögensbildung „zu Lasten“ des Unterhaltsberechtigten handelt, da es ohne Zins und Tilgung den Wohnvorteil in Form einer ersparten Miete nicht gäbe. Ebenso hat der BGH beim Ehegattenunterhalt entschieden (BGH, FamRZ 2018, Seite 1506), die Rechtsprechung hat dies auch übernommen für den Kindesunterhalt, soweit der Mindestkindesunterhalt gedeckt ist (OLG Frankfurt, NZFam 2019, Seite 1054). Das OLG Oldenburg (NZFam 2021, Seite 604) geht sogar beim Kindesunterhalt noch weiter, wonach der Abzug von Tilgungsleistungen bis zum Wohnwert auch im Mangelfall gilt. Der BGH hat überraschend schnell die zu dieser Entscheidung eingelegte Revision verbeschieden und hat die Entscheidung des OLG bestätigt (BGH, Beschluss vom 09.03.2022, Az. XII ZB 233/21). Zwar schränkt der BGH ein, dass im Mangelfall ggf. eine Tilgungsstreckung zuzumuten wäre – falls überhaupt faktisch möglich – eine völlige Aussetzung der Tilgung ist ohnehin unzumutbar. Im zugrundeliegenden Fall war der Tilgungssatz von Anfang an 2 % und daher üblich, das Darlehen wurde erst seit 2017 bedient. Nur im Ausnahmefall, wenn z. B. eine hohe Tilgungsrate Vertragsgegenstand ist oder die Abbezahlung des Darlehens kurz vor dem Ende ist, könnte eine Tilgungsstreckung zumutbar sein. Im vorliegenden Fall war daher keine Tilgungsstreckung geboten, Zins- und Tilgungsleistungen bis zur Höhe des objektiven Wohnwerts waren zu berücksichtigen. Der BGH entscheidet nach dem einprägsamen Grundsatz:

Zwar handle es sich bei der Tilgung des Immobilienkredits um eine Vermögensbildung, aber ohne Zins und Tilgung gäbe es den unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Wohnvorteil in Form einer ersparten Miete erst gar nicht.

Der BGH betont, dass diese grundlegenden Erwägungen für alle Unterhaltstatbestände gelten, insbesondere auch für den Kindesunterhalt.

Diese Rechtsansicht hat sich nunmehr für die Anrechnung von Tilgungsleistungen bei der selbstgenutzten Immobilie und dem damit zusammenhängenden Wohnwert durchgesetzt (Borth, FamRZ 2019, Seite 160 ff., Schürmann, FamRZ 2018, Seite 104, Engels FF 2017, Seite 325, Finke, Forum Familienrecht 2019, Seite 2 ff.).

Zins- und Tilgungsleistungen bei unterhaltsrechtlicher Berücksichtigung von Mieteinnahmen bei kreditfinanzierter Immobilie

Der BGH hatte mit der Entscheidung, Az. XII ZB 557/20 (Leitsatz 2 siehe oben) nunmehr darüber zu entscheiden, ob dies auch für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die mittels kreditfinanzierter Immobilie erzielt werden, gilt. Der BGH hat dies ausdrücklich bejaht und im zweiten Leitsatz formuliert, dass bis zur erzielten Kaltmiete nicht nur die bereits steuerrechtlich vermindernden Zinskosten abzugsfähig sind, sondern ebenso die Tilgungsleistungen. Das Argument ist letztendlich das gleiche wie bei der Berücksichtigung von Tilgungsleistungen beim Wohnwert: Ohne die erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen werden die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht erzielt, sodass bis zur Höhe der Mieteinkünfte auch die erforderlichen und tatsächlich geleisteten Zins- und Tilgungsleistungen unterhaltsrechtlich abzugsfähig sind. Schließlich wird auch die Mieteinnahme unterhaltsrechtlich als Einnahme berücksichtigt. Diese Entscheidung war überfällig und bringt zu dieser Frage Rechtsklarheit.

Die letzte wohl noch offene Frage ist, ob bei kreditfinanzierten Immobilien, deren Mieteinnahme unterhaltsrechtlich berücksichtigt wird, auch im Mangelfall die Tilgungsleistungen in voller Höhe abzugsfähig sind. Wie gesagt, für die Abzugsfähigkeit im Mangelfall bei Berücksichtigung des Wohnwertes hat der BGH bereits in diese Richtung entschieden (siehe oben BGH, Beschluss vom 09.03.2022, Az. XII ZB 233/21), sodass davon auszugehen ist, dass der BGH auch bei der kreditfinanzierten Immobilie dies so sieht.

  • Zusätzliche Altersvorsorge (Leitsatz 3)

Der BGH hat ausdrücklich klargestellt, dass Selbständige bis zu 24 % ihres Bruttoeinkommens für die Altersvorsorge aufwenden dürfen. Im Hinblick auf die derzeitige gesetzliche Rentenversicherung in Höhe von ca. 19 % des Bruttoeinkommens und der zusätzlichen Altersvorsorge gemäß Rechtsprechung in Höhe von 4 % gehen auch einige Gerichte von lediglich 23 % Gesamtaltersvorsorge aus. Auch Nichtselbständige können und dürfen bis zur sogenannten Beitragsbemessungsgrenze neben der gesetzlichen Rente 4 % zusätzliche Altersvorsorge betreiben und bei Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze wie ein Selbständiger 23 %/24 %. Der BGH stellt klar, dass Zins- und Tilgung bis zur Höhe der Mieteinnahmen unabhängig von dieser zusätzlichen Altersvorsorge abzugsfähig sind, Tilgungsleistungen, die darüber gehen, können dann bis zur entsprechenden Höhe als zusätzliche Altersvorsorge in Abzugsgebracht werden, da auch die Bildung von Immobilieneigentum durch Tilgungsleistungen als adäquate Altersvorsorge zu akzeptieren sind. Bemessungsgrundlage für den Prozentsatz ist grundsätzlich nicht das Einkommen des Vorjahres, sondern wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung das jeweils laufende Einkommen.

  • Erwerbstätigenbonus (Leitsatz 4)

Der BGH schreibt nunmehr fest, dass als Erwerbstätigenbonus nur 10 % pauschal abzugsfähig sind und nicht 1/7. Dies ist ansich auch schon in den Unterhaltsleitlinien, Stand 01.01.2022, umgesetzt. Der BGH begründet dies damit, dass die mit der Berufsausübung verbundenen höheren Aufwendungen beim Selbständigen bereits im Rahmen der Gewinnermittlung Berücksichtigung finden und beim Nichtselbständigen zumeist in den pauschalen berufsbedingten Aufwendungen in Höhe von 5 %. Deshalb geht der BGH von einem Erwerbstätigenbonus von nur noch 10 % aus (so schon vormals die Süddeutschen Leitlinien). Ein höherer Abschlag wäre konkret darzulegen.

Unterhaltsrecht

BGH, Beschluss vom 27.10.2021 – Az. XII ZB 123/21 – §§ 1601, 1603, 1606, 1607 BGB

FamRZ 2022, Seite 180 ff.; NZFam 2022, Seite 15 ff.

  1. Das Vorhandensein von für den Enkelunterhalt leistungsfähigen Großeltern führt dazu, dass sich die Leistungsfähigkeit der Eltern für den Kindesunterhalt allein nach § 1603 Abs. 1 BGB richtet und damit unter Berücksichtigung des sog. angemessenen Selbstbehalts zu ermitteln ist. Die gesteigerte Unterhaltspflicht des § 1603 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB mit der Reduzierung auf den sog. notwendigen Selbstbehalt greift dann nicht ein.
  2. Der auf Unterhalt für sein minderjähriges Kind in Anspruch genommene Elternteil trägt die Darlegungs- und Beweislast für seine eigene Leistungsunfähigkeit und damit sowohl dafür, dass bei der begehrten Unterhaltszahlung sein angemessener Selbstbehalt nicht gewahrt wäre, als auch dafür, dass andere leistungsfähige Verwandte im Sinne des § 1603 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 BGB vorhanden sind.

Dieses Urteil befasst sich mit dem sogenannten Enkelunterhalt. In der Presse hat man den „Aufschrei“ gehört: „BGH nimmt Großeltern in die Pflicht“. Veröffentlichte Fälle zum Enkelunterhalt sind selten, da es auch nur seltene Fallkonstellationen gibt, in denen Großeltern in Anspruch genommen werden. Dies erklärt sich auch daraus, dass dem unterhaltsbedürftigen Enkel ein Sozialhilfeanspruch, ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder ein Unterhaltsvorschussanspruch zusteht. Der Bedarf des unterhaltsberechtigten Enkels wird durch öffentliche Sozialleistungen befriedigt. Der jeweilige Sozialhilfeträger kann jedoch den zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch des Enkels gemäß § 94 Abs. 1 Satz 3 SGB XII nicht auf sich überleiten – anders beim Unterhaltsanspruch zwischen Kind und Elternteil bzw. beim sogenannten Elternunterhalt.

Im hier vorliegenden Fall hat ein Bundesland als Träger der Unterhaltsvorschusskasse gegenüber dem Vater eines unterhaltsberechtigten Kindes nach übergegangenem Recht (Teil-)Rückzahlung verlangt, mit dem Argument, er sei aufgrund eines Selbstbehalts von 1160 € (teil-)leistungsfähig. Der Vater hat eingewandt, dass er nur leistungsfähig sei oberhalb des sogenannten angemessenen Selbstbehalts in Höhe von 1400 €, ihn keine gesteigerte Unterhaltspflicht treffe, da zumindest ein leistungsfähiger Großelternteil vorhanden ist. Zwar geht die Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren Kindern derjenigen der Großeltern für ihre Enkel vor (§1606 Abs. 2 BGB), aber wenn der vorrangige Elternteil nicht leistungsfähig ist, greift die nachrangige Unterhaltspflicht von Großeltern. Der BGH hat nunmehr entschieden, dass dann, wenn leistungsfähige Großeltern vorhanden sin, die gesteigerte Unterhaltspflicht von Eltern für minderjährige Kinder entfällt und der Vater sich daher berechtigterweise auf den angemessenen Selbstbehalt von 1400 € berufen hat, nachdem die Großeltern Nettoeinkünfte von fast 3.500 € bzw. 2.200 € hatten. Großeltern haften insoweit gemäß § 1607 BGB. Der BGH führt weiter aus, dass die Ersatzhaftung der Großeltern weiterhin die Ausnahme darstellt. Dafür sorgt nicht nur die Anordnung des Vorrangs der elterlichen Unterhaltspflicht, sondern auch, dass Großeltern gegenüber ihren Enkeln ein deutlich höherer angemessener Selbstbehalt zusteht (derzeit 2000 € zzgl. der Hälfte des über 2000 € liegenden Einkommens). Dass der Staat für Unterhaltsvorschusszahlungen keinen Regress (§ 7 Abs. 1 Satz 1 UVG) bei Großeltern nehmen kann, ist eine ganz bewusste gesetzgeberische Entscheidung und ist nicht dafür maßgeblich, welchen Umfang die zivilrechtliche Unterhaltspflicht der Eltern hat. Zur Erinnerung: Hier ging es um den Rückforderungsanspruch der Unterhaltsvorschusskasse gegen den Vater.

Die Ersatzhaftung der Großeltern tritt somit nicht erst dann ein, wenn der notwendige Selbstbehalt der Eltern unterschritten wird, sondern sobald der angemessene Selbstbehalt des Elternteils gegenüber dem Kind unterschritten wird. Da der Unterhaltsbedarf des Kindes/Enkel sich immer nach den Lebensverhältnissen der Eltern richtet, wird bei leistungsunfähigen Eltern der Bedarf des Kindes auch gegenüber den Großeltern nicht über dem Mindestunterhalt liegen, selbst wenn die Großeltern in guten/sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Grundsätzlich käme auch die betreuende Mutter als weitere leistungsfähige Verwandte in Betracht, wenn sie ausreichend Einkommen erzielen würde (BGH, FamRZ 2011, Seite 1041), der Vater hat jedoch im hiesigen Regressprozess nicht auf die Inanspruchnahme der Mutter verwiesen (unabhängig davon, dass auch das Einkommen der Mutter unterhalb des angemessenen Selbstbehalt gelegen hätte).

Dass ein Regress des Staates auch nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht möglich ist, ist gleichlautend mit den bereits oben genannten sozialhilferechtlichen Ansprüchen. Bereits seit 1974 geht das Sozialhilferecht davon aus, dass die Belastung entfernterer Verwandter nicht sachgemäß ist. Im Unterhaltsrecht geht/ging man davon aus, dass eine Unterhaltspflicht von Großeltern dann besteht (nachrangig), wenn der Selbstbehalt des Elternunterhaltes (2000 € zzgl. der Hälfte des über 2000 € liegenden Einkommens) überschritten ist. Diese Zahlen stammen aus der Rechtsprechung und den unterhaltsrechtlichen Leitlinien zum sogenannten Elternunterhalt, bevor das Angehörigenentlastungsgesetz in Kraft getreten ist. Seitdem finden sich diese Zahlen zum Selbstbehalt von Eltern nur noch in wenigen Leitlinien, es wird für die Bemessung eines angemessenen Selbstbehaltes auf Zweck- und Rechtsgedanken des Angehörigenentlastungsgesetztes verwiesen, was wohl dazu führt, dass die Ersatzhaftung der Großelterngeneration möglicherweise zum Auslaufmodell wird (so berechtigterweise Schürmann, FamRZ 2022, Seite 185). Der BGH sagt hierzu bedauerlicherweise gar nichts. Aber, wie gesagt, es ist zu trennen zwischen dem zivilrechtlichen Unterhaltsanspruch und der Frage, ob sich ein Elternteil auf den angemessenen Selbstbehalt berufen kann und dem nicht bestehenden sozialhilferechtlichen Regressanspruch gegenüber Großeltern.

Güterrecht

BGH, Beschluss vom 08.12.2021 – XII ZB 402/20 – §§ 1373 ff. BGB

NZFam 2022, Seite 161

  1. Ist ein Steuererstattungsanspruch beim Eintritt des Güterstandes noch nicht entstanden, ist er auch nicht im Anfangsvermögen zu berücksichtigen.
  2. Eine nach dem Endstichtag anfallende Vorfälligkeitsentschädigung ist bei der Beendigung des Güterstandes genauso wenig zu berücksichtigen wie es Zinsbelastungen sind, die bei einer Darlehensvaluta erst nach dem Stichtag eintreten.

Die Eheleute haben am 31.12.2000 geheiratet, Scheidungsantrag wurde am 30.01.2015 zugestellt.

Der Mann will eine Steuererstattung für das Steuerjahr 2000 zu seinen Gunsten im Anfangsvermögen berücksichtigt wissen, weil man erst am 31.12.2000 geheiratet hat und daher diese Erstattung sein Anfangsvermögen – wenn auch erst in 2001 ausbezahlt – erhöht. Weiterhin sei von seinem Endvermögen entsprechend den Grundsätzen der latenten Steuerlast bei Unternehmensveräußerungen bei ihm eine Vorfälligkeitsentschädigung zu berücksichtigen, die zur Ablösung eines Kredits für die im Mai 2015 veräußerte Familienimmobilie bezahlt werde musste.

Das OLG hat das Amtsgericht bestätigt, wonach Einkommensteuerschulden und
-erstattungen mit dem Zeitpunkt ihres Entstehens im Zugewinn einzustellen sind. Voraussetzung hierfür ist es, dass der Veranlagungszeitraum zum Stichtag bereits abgelaufen ist. Nachdem der Ehemann durch die Hochzeit am 31.12. 2000 berechtigt war, die steuerlichen Vorteile der Eheschließung für das gesamte Jahr geltend zu machen, ist umgekehrt als Folge des strengen Stichtagsprinzips hinzunehmen, dass die Steuererstattung – wenn auch denkbar knapp – zum Zeitpunkt der Hochzeit noch nicht fällig gewesen ist, sondern eben erst ab dem 1.1. des Folgejahres.

Auch ist die Vorfälligkeitsentschädigung im Endvermögen nicht abzuziehen, da die Immobilie erst nach dem Endvermögensstichtag veräußert worden ist. Auch die Grundsätze der latenten Steuerlast sind nicht anzuwenden, da die Vorfälligkeitsentschädigung nicht zwingend und nicht unvermeidbar für jede Immobilienveräußerung greift.

Der BGH hat in beiden Punkten das OLG bestätigt. Der BGH hält an seinem strikten Stichtagsprinzip fest und bestätigt seine Rechtsprechung zum Abzug von latenten Kosten, dann wenn es sich um unvermeidbare Veräußerungskosten bei Unternehmen, Grundstücken, Wertpapieren oder Lebensversicherungen handelt.

Die Entscheidung des BGH ist derart eindeutig, dass es keiner weiteren Erläuterungen hierzu bedarf, auch wenn in der Literatur zu diesem Problemkreis bislang jedenfalls auch andere Meinungen vertreten wurden. Auch konnte sich der Mann nicht auf § 1381 BGB berufen, wonach in besonders gelagerten Einzelfällen eine Korrektur des rechnerischen Ergebnisses möglich ist. Dies gilt jedoch nur, wenn die Gewährung und Berechnung des Ausgleichsanspruchs in der vom Gesetz vorgesehenen Art und Weise dem Gerechtigkeitsempfinden in unerträglicher Weise widersprechen würde (BGH, FamRZ 2018, Seite 1415). Das sieht der BGH hier nicht, insbesondere wiederholt der BGH für den Steuererstattungsanspruch im Anfangsvermögen die Argumentation des OLG, wonach man ja durch die Eheschließung am letzten Tag des Jahres für das gesamte Steuerjahr 2000 den Splittingvorteil erhalten hat.

Wechselmodell

BGH, Beschluss vom 19.01.2022 – Az. XII ZA 12/21 – §§ 1671, 1684, 1696 BGB

Die Abänderung eines im Umgangsrechtsverfahrens vereinbarten Wechselmodells kann nur in einem solchen Verfahren und nicht in einem Sorgerechtsverfahren erreicht werden (Fortführung BGH, FamRZ 2017, Seite 532; FamRZ 2020, Seite 255).

Die Mutter erstrebt die Beendigung eines Wechselmodells, welches im Jahr 2018 in einem umgangsrechtlichen Beschwerdeverfahren vereinbart wurde. Dies in einem sorgerechtlichen Verfahren in welchem sie das Aufenthaltsbestimmungsrecht beantragt hat, mit dem Ziel, dass das Kind mehr Tage bei ihr verbringt als beim Vater. Das OLG (FamRZ 2021, Seite 691) führt aus, dass der gestellte Antrag zum Aufenthaltsbestimmungsrecht in einem falschen Verfahren (Sorgerecht) gestellt ist, obwohl Grundlage des Wechselmodells eine gerichtlich gebilligte Umgangsregelung ist. Nach § 1671 BGB müssten Gründe vorgetragen werden, aus denen sich eine förmliche Veränderung des Lebensmittelpunktes des Kindes ergäbe. Will die Mutter eine Veränderung der Betreuungssituation – wie hier – müsste ein Antrag im umgangsrechtlichen Verfahren gestellt werden.

Der BGH bestätigt diese Rechtsauffassung. Bei Sorge- und Umgangsrechtsverfahren handelt es sich um eigenständige Verfahrensgegenstände. Beim Sorgerecht handelt es sich um Fragen der Rechtszuständigkeit der Eltern, das Umgangsrecht betrifft die tatsächliche Ausübung der elterlichen Sorge ohne in das Statusrecht der elterlichen Sorge einzugreifen. Daher besteht keine übergreifende Bindungswirkung für den jeweils anderen Verfahrensgegenstand (BGH, FamRZ 2020, Seite 255).

Nachdem bereits in einem nachfolgenden Umgangsrechtsverfahren das OLG entschieden hatte, war darüber hinaus die hier beantragte Verfahrenskostenhilfe „mutwillig“, und daher die beantragte Verfahrenskostenhilfe nicht zu gewähren.

Auch diese Entscheidung zeigt, dass das Wechselmodell zum Umgangsrecht „gehört“ und daher zu empfehlen ist, eine Frage des Wechselmodells im umgangsrechtlichen Verfahren zu klären.

BGH, Beschluss vom 19.01.2022 – Az. XII ZB 276/21 – § 115 ZPO, § 76 FamFG

http://www.bundesgerichtshof .de

Im Fall der Betreuung eines Kindes im paritätischen Wechselmodell sind vom Einkommen eines um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Elternteils ein hälftiger Unterhaltsfreibetrag i.S.v. § 76 FamFG i.V.m. § 115 ZPO und der tatsächlich für das Kind gezahlte Barunterhalt abzusetzen.

Das paritätische Wechselmodell ist in vielen Bereichen „noch nicht angekommen“. So wird das Kindergeld nur an ein Elternteil ausbezahlt, im Sozialhilferecht ist es unklar, wie und wo ein Kind im Wechselmodell Berücksichtigung findet. Unterhaltsvorschuss wird nicht gewährt, weil keine „Alleinerziehung“. Auch melderechtlich besteht Unklarheit, wo das Kind seinen „Wohnsitz“ begründet.

Hier hat der BGH im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe entschieden, dass der sogenannte Unterhaltsfreibetrag, der im Rahmen der Berechnung der Verfahrenskostenhilfe gesetzlich festgeschrieben ist, im Wechselmodel hälftig anzusetzen ist. Dass der tatsächlich bezahlte Barunterhalt abzuziehen ist, erscheint ohnehin klar.

Das OLG hatte noch den „vollen“ Unterhaltsfreibetrag berücksichtigt und kam daher zu einer sehr geringen Verfahrenskostenhilferate. Das OLG hatte seine Entscheidung damit begründet, dass bei intakter Ehe der Kinderfreibetrag auch von beiden Elternteilen in voller Höhe in Anspruch genommen werden kann. Die Staatskasse hat hiergegen Beschwerde eingelegt.

Der BGH entscheidet, dass nur der hälftige Kinderfreibetrag beim Wechselmodell im Rahmen der Verfahrenskostenhilfe in Abzug gebracht werden darf. Wegen der Kostenentlastung von Eltern während des Zeitraums, in welchem das Kind beim anderen Elternteil ist, geht der BGH davon aus, dass nur der hälftig Betrag Berücksichtigung finden darf. Für jeden Elternteil, welcher Verfahrenskostenhilfe begehrt, ist zu prüfen, ob dieser Elternteil bedürftig ist. Der BGH macht weitere tiefgreifende rechtliche Ausführungen, die jedoch für die hiesige Darstellung nicht von Belang sind, entscheidend für die Praxis ist es, dass im Fall des Wechselmodells der verfahrenskostenhilferechtliche Freibetrag nur hälftig bei jedem Elternteil – soweit bedürftig – zu berücksichtigen ist. Darüber hinaus ist der tatsächlich volle Barunterhalt in Abzug zu bringen. Diese hälftige Teilung des Kinderfreibetrags ist auch geboten, wenn durch das Leben des Kindes in zwei Haushalten Mehrkosten vorhanden sind, denn zu einer Verdoppelung der Kosten kommt es in keinem Fall.

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