Umgangsrecht in der Corona-Krise

Die Corona-Krise ist eine bislang noch nicht dagewesene Herausforderung – auch für das Familienrecht. Weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung haben natürlich bislang auf alle Fragen bereits Antworten. Wie letztendlich die Rechtsprechung dann einzelne Fallgestaltungen entscheiden wird, kann heute nicht vorausgesagt werden.

 

Vorauszuschicken ist für die Frage des Umgangsrechtes, dass das Umgangsrecht ein eigenständiges Recht neben dem Sorgerecht ist. Es kommt also beim Umgangsrecht nicht darauf an, ob der andere nicht betreuende Elternteil auch Sorgerechtsinhaber ist oder nicht. Das Umgangsrecht gem. § 1684 BGB ist ein eigenständiges Elternrecht (selbiges gilt für Großeltern und Bezugspersonen Umgang gem. § 1685 BGB bzw. Umgang des biologischen Vaters gem. § 1686 a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Einer Umgangsregelung ist schon immer immanent, dass Umgangskontakte dann entfallen, wenn dem Umgangsrecht zwingende Gründe entgegenstehen. Gibt es einen gerichtlichen Umgangsbeschluss oder eine vom Gericht gebilligte Einigungslösung, sind derartige Fragen dann im Rahmen der sogenannten Vollstreckung gem. § 89 FamFG zu klären.

 

Dann, wenn der umgangsverpflichtete Elternteil entschuldbar den Umgang nicht gewährt, unterbleibt auch eine Vollstreckung mit Ordnungsmittelfestsetzung. Der gleiche Maßstab ist grundsätzlich anzusetzen bei gerichtlich bislang nicht festgelegten Umgangszeiten. Hier muss dann der Umgangsberechtigte entscheiden, ob er entweder im Wege einer einstweiligen Anordnung oder im Wege eines Hauptsacheverfahrens bei Verweigerung des Umgangs Umgangsanträge bei Gericht stellt. Insoweit ist jedoch zu bedenken, dass auch die Gerichte derzeit im „Notbetrieb“ tätig sind.

 

Ob unter Verweis auf die Corona-Krise ein Umgangskontakt ohne Verschulden entfallen kann und darf, beurteilt sich danach, in welchem Grad die jeweiligen Beteiligten an dieser Pandemie betroffen sind:

 

  • Nachgewiesene Corona-Erkrankung des Kindes:

 

Auch ein zum Umgang berechtigter Elternteil kann sein krankes Kind wie der hauptsächlich betreuende Elternteil versorgen und pflegen, weshalb grundsätzlich nur bei – durch ärztliches Attest zu belegender – Transportunfähigkeit des Kindes kein Verschulden im Sinne des § 89 Abs. 4 FamFG festzustellen ist. Es wird jedoch davon auszugehen sein, dass bei nachgewiesener Corona-Erkrankung des Kindes das Risiko der Übertragung so hoch ist, dass die Verweigerung des Umgangs auch in diesen Fällen der richtige Weg ist und somit der an sich umgangsverpflichtete Elternteil den Ausfall des betreffenden Umgangs nicht zu vertreten hat.

Ist einer der Elternteile oder eine weitere umgangsberechtigte Person nachweislich erkrankt, gilt natürlich Entsprechendes.

 

  • Quarantäneanordnung gem. § 30 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz:

 

Die Anordnung einer häuslichen Quarantäne durch Gesundheitsämter führt zweifelsfrei dazu, dass der Umgang auszusetzen ist. Dies gilt wenn die Anordnung gegenüber dem Umgangselternteil oder dem Kind getroffen worden ist. Selbiges gilt auch für den Fall der Quarantäneanordnung gegenüber dem an sich normalerweise betreuenden Elternteil.

 

  • Freiwillige Quarantäne:

 

Problematisch sind immer die Fälle, in denen sich Beteiligte des Umgangsrechtsverhältnisses unter Verweis auf Corona in freiwillige Quarantäne begeben. Grundsätzlich ist eine solche Selbstrestriktion als Akt besonderer Verantwortung zu respektieren. Für eine Entlastung des normalerweise betreuenden Elternteils muss man wohl verlangen, dass es hinreichende objektive Gründe für den häuslichen Rückzug gibt. Dazu gehören sicherlich Fälle, in denen der Umgangsberechtigte aus einem besonders betroffenen Gebiet in Deutschland oder in Europa oder auch der Welt zurückgekehrt ist oder der Umgangsberechtigte in einem Kontaktverhältnis zu einer infizierten Person gestanden hat. Ob insoweit andere Risikofaktoren ebenso ausreichen, wird sich zeigen. So gibt es Fälle, in denen der Umgangsberechtigte z. B. in einem systemrelevanten Beruf arbeitet, z. B. im Krankenhaus als Arzt oder Arzthelfer etc., und somit berechtigterweise schon ein erhöhtes Risiko anzunehmen ist. Auch wenn der normal betreuende Elternteil sich im Homeoffice befindet und letztendlich nur für die notwendigen Besorgungen nach außen geht, aber der andere Elternteil noch im Kundenkontakt oder im Mitarbeiterkontakt steht, könnte auch dies zu einer solchen Risikoeinschätzung führen.

 

Das ist jedoch wie gesagt dann Aufgabe der Gerichte dies ggf. nach Überwinden der Krise einzuschätzen. So liest man derzeit häufig folgende Hinweise:

 

„Anlässlich der derzeit durch das Corona-Virus bestehenden Situation wird des Weiteren darauf hingewiesen, dass vereinbarte Umgangskontakte in diesem Zusammenhang nur aufgrund eines konkret bestehenden Risikos, nicht aber allein aufgrund der derzeit allgemein bestehenden Infektionsgefahr ausgesetzt werden dürfen.“

 

So häufige Hinweise der Amtsgerichte, wobei dann wieder auszulegen ist, wann es sich um ein „konkret bestehendes Risiko“ handelt oder nicht. Ratschläge sind hier äußerst schwierig zu geben.

 

  • Ausgangssperre:

 

Eine Ausgangssperre haben wir derzeit noch nicht, so dass wir eben in dem Zwiespalt zwischen der oben genannten „freiwilligen Quarantäne“ und eben der angeordneten Sperre sind. Sollte eine Ausgangssperre verhängt werden, ist die Durchführung von Umgangskontakten schlichtweg nicht mehr möglich und eine Umgangsregelung für die Dauer eine solcher Anordnung nicht mehr vollstreckbar.

 

In einer solchen Situation, wie wir sie jetzt haben, sollten pragmatische Lösungen gefunden werden und nicht die Gerichte bemüht werden. Der Ausgang ist ohnehin offen. So gibt es auch Fälle, in denen eben die Betreuungssituation der Kinder schwierig ist und möglicherweise sogar sinnvollerweise die Ausweitung eines Umgangs anzudenken wäre, um eben den beteiligten Eltern noch eine gewisse Arbeitsleistung zu ermöglichen. Dazu ist immer Elternkonsens notwendig. Auch im Bereich des Familienrechtes wird man daher das Wort „Solidarität“ in diesen Zeiten zu bemühen haben. Ob der Gang zum Gericht dann der richtige Weg ist, mag zu bezweifeln sein.

 

Ausdrücklich wird jedoch nochmals darauf hingewiesen, dass das Umgangsrecht vollständig neben dem sogenannten Sorgerecht als Kindschaftsrecht steht und die Frage, ob der normalerweise umgangsberechtigte Elternteil auch Sorgerechtsinhaber ist oder nicht, keine Rolle spielt. In der Sache selbst wird es auf den jeweiligen Einzelfall ankommen.

 

 

 

 

 

 

Rechtsanwalt Simon-Peter Heinzel

Fachanwalt für Familienrecht

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